Samstag, 28. Juni 2014
I got it <3
Yabba dabba doo! Nie wieder Schule für Pebbels.
„Fred, laß` uns den Cactus Cooler köpfen, feiern, tanze, endlich unsere Hochzeitsreise antreten…“
„Mama? Erde an Wilma, Erde an Wilma, ich brauch` ein Abi-Kleid!“
Seufz:“ Laß` uns Steine für unser Kind ausgeben.“
Ab in die Neuzeit.
„Guck, wir haben eine Abi-Kleid-Gruppe über Whatsapp gegründet.“
Ich begutachte den Kleidertrend. Lang-e.
"Pebbles, möchtest du ein langes Abi-Kleid?"
Ja, Pebbles möchte ein langes Kleid. Eines aus Chiffon, im antik-römischen Stil, wie alle anderen Mädchen auch.
Also, ab durch die Kaufhäuser und Boutiquen. Cocktail- und Abendkleidabteilungen, der Stadt, rauf und runter. Rein in das Getümmel, bis die Schuhe blutig gelaufen sind und die Zunge hechelnd, knapp über dem Boden hängt.
Während Töchterchen sich mit all den anderen Backfischen in Wallerkleidung wirft, kann ich in bequemen Sesseln oder schlimmstenfalls stehend pausieren.
Genug Zeit, Konsumentinnen zu studieren. Mütter mit ihren Töchtern, auf Suche nach passender Robe. Mütter deren zurückhaltende Ratschlägen meist abgelehnt werden. Wir, aus der Steinzeit kommenden, kennen den Trend nicht. Meine Lieblingsfrage von Pebbles, aus ihrer Kindergartenzeit amüsiert mich heute noch: "Sag´ mal Mama, wie war es, als du mit den Dinosauriern gelebt hast?"
Mit stoischer Gelassenheit zaubert sich ein mildes Lächeln auf meinen Gesichtsausdruck.
Liebes Kind, wieso fallen mir Worte wie, Cupcake, Törtchen oder Torte bei deinem Anblick ein? Macarons, fluffige Himmbertörtchen, kleine, runde Schokokuchen mit Sahnetupfer...
Vielleicht macht mich dieser überdimensionale Einkaufsbummel einfach nur hungrig.
Wie gerne würde ich bei einem Zuckerbäcker einkehren, aber hier geht es nicht um meine Bedürfnisse. Wir haben immer noch kein Kleid. Die Zeit drängt, irgendwann werden die Geschäfte schließen und ich weiß auch nicht mehr, wo wir noch hingehen sollen. Es ist doch schon alles abgeklappert.
Unser Rundlauf beginnt von vorne. Wir springen in das erste Kaufhaus unserer Tortur. Entschuldigung ein „Freudscher " Versprecher, ich meine natürlich Tour.
Da gibt es ein blaues, langes Chiffonkleid aus Polyester, das in der Whatsappgruppe dem von Marie zwar ähnlich sieht, aber Maries ist rot. Ich räume alle Zweifel aus. Rot ist doch nicht blau, wo ist denn da die Ähnlichkeit.
"Mein Honigkuchen, wenn es dir gefällt, laß` es uns kaufen."
Pebblechen wirft sich noch mal in ihren nachtblauen Traum und stellt ihn in die Kleidergruppe der Abiturientinnen.
Wir gehen zur Kasse. Nonchalant ziehe ich meine EC-Karte und drücke dem Kind eine kleine, goldene Papiertüte mit dicken, cremefarbenen Kordelgriffen in die Hand.
Endlich, geschafft, es wurde ja auch Zeit.
Wie schön, selbst in dieser wuseligen Einkaufsstraße kann ich Mutter-Töchter-Gespanne mit ihrem Auftrag erkennen. Der Blick ist wieder frei, der Blick ist wieder offen. Wir gehören zu denen mit einem Einkaufstütchen. Freude.
Pebbles guckt auf ihr Smartphone, tut sie ja öfter, aber sie liest mir die SMS sonst nicht vor.
Ich bin erschüttert.
„Dein Kleid sieht dem von Laura recht ähnlich.“
"Ähh, hallo wir leben alle in einer Stadt, ist es da so schlimm, wenn das gleiche Kleid öfter vertreten ist?"
Ja, es ist schlimm, kompromittierend! Das geht natürlich nicht, wir müssen das Kleid zurückbringen.
Am Boden zerstört schlurfen wir, mit brennenden Fußsohlen abermals zur bekannten Kasse.
Bedrückt lege ich das neue, goldene Tütchen auf den Tresen.
Was nun?
Ein kleiner Hoffnungsschimmer, am Rande der Stadt, in Form eines kleinen Lädchens, vielleicht, vielleicht...?
Wie spät ist es? Wir müssen uns beeilen, die Füße in die Hand nehmen, von Bahnverbindung zu Bahnverbindung jumpen. Es könnte klappen, wir rennen die Zielstraße hinunter. Erster, ich erreiche die Eingangstür, möchte sie aufdrücken...zu spät, doch dann ist es zu spät, zu späät.. ist in meinem Gehirn fest mit den Ärzten verknüpft, ob es mir passt oder nicht. (http://www.youtube.com/watch?v=YkHP0661TiA )
Nebenan löst sich eine dunkelhaarige Dame aus ihrem Liegestuhl:
„Suchen Sie etwas bestimmtes? Ich kann Ihnen das Geschäft öffnen.“
Ja; ich suche etwas bestimmtes und ich kann Ihnen die Füße küssen, ich werfe mich auch in den Straßenstaub, aber bitte, helfen Sie mir. Was für ein hilfesuchender, verzweifelter Blick , der aus mir heraus quillt. Wie beim Zahnarzt.
Ich kenne diese kleine Italienerin, die Besitzerin.
Sie öffnet ihren Laden und wir dürfen stöbern.
Mit geübten Fragen erfährt sie unser Anliegen und zieht ein großes, schwarzes Chiffonkleid aus ihrem dichtgesteckten Sortiment.
Schwarz, zu Pebbles heller Porzellanhaut ein eleganter Kontrast.
Das Kind verschwindet in der Umkleide. Beim heraustreten stolpert sie über den zu langen Saum, aber man muss auch die Schuhe bedenken und es kann gekürzt werden, vielleicht sogar mit Schleppe. Die Taille rutscht dem Kind auf den Hintern. Kann man enger stecken. Die Brust verliert sich in zwei wassermelonengroßen, schwarzen Helmen. Kann aber mit Bändchen aus dem Saum über dem Rücken zusammengebunden werden. Der Neckholder wird um ca. dreißig Zentimeter gestrafft und schon ist das Kleid für den Abiturball fertig.
Die quirlige Italienerin hat um die Ecke die Schwägerin zur Schneiderin.
Ich muss dringend auf die Toilette, wir nehmen das Kleid.
Zur Schneiderin geht die große Tochter morgen allein, denn da bin ich mit dem Rest der Familie und Freunden zum Rumgammeln auf einen Campingplatz in Kroatien.
Diesen Urlaub habe ich mir redlich verdient.
Am nächsten Abend, in geselliger Runde mit Wein und Blick aufs Meer kommen wir auf das Thema Abikleid und -ball. Meine Füße brennen immer noch. Auch die Freundin hat ein paar Anekdoten zu erzählen. Wir begutachten Fotos ihre Tochter, über Handy, in diversen, mir bekannt vorkommenden Kleidungsstücken und geben unsere Empfehlung ab.
Nach Erinnerung suchend überlegen wir, wie das damals bei uns war. Bei mir gab es anstatt eines Abiturballs die Weizäcker-Rede( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/weizsaecker-rede-1985-8-mai-war-ein-tag-der-befreiung-a-354568.html ). Zur Zeugnisübergabe hatte ich die schwarze Lieblingshose gegen eine blaue Jeans eingetauscht. Abends gingen wir in eine Kneipe Namens „Schabernack“ und standen zur Verabschiedung wohl zu lange vor der Tür, denn eine Hausbewohnerin goss einen Kübel Wasser über unsere Köpfe. Gut, dass es den Klamotten nichts ausmachte. Aber, wie meinte meine Mutter: “Ihr wart ja alternativ!“ Interessant ich erlebe einen hautnahen Generationswechsel.
Wir sollten unsere Demonstrationslust ein letztes Mal entfachen und auf dem Gelände vor dem Abiball Plakate schwingen. Auf meinem würde stehen:"Mütter stoppt den Rüstungswahn!"
Wäre in mehrerlei Hinsicht treffend, denn das Fest wird tatsächlich in der Großkantine eines Rüstungskonzerns stattfinden. Aber das ist eine andere Geschichte:( http://www.fnp.de/rhein-main/Krauss-Maffei-bekommt-im-Schmiergeld-Prozess-mehr-Zeit;art )

Permalink (7 Kommentare)   Kommentieren

 


Mittwoch, 12. März 2014
Jenseits von Gut und Böse
Wie aktuell ist das denn?

Nietzsche vor über hundert Jahren:
„Im jetzigen Frankreich ist demnach, wie man es ebenso leicht erschließen als mit Händen greifen kann, der Wille am schlimmsten erkrankt; und Frankreich, welches immer eine meisterhafte Geschicklichkeit gehabt hat, auch die verhängnisvollen Wendungen seines Geistes ins Reizende und Verführerische umzukehren, zeigt heute recht eigentlich als Schule und Schaustellung aller Zauber der Skepsis sein Kultur-Übergewicht über Europa.
Die Kraft zu wollen, und zwar einen Willen lang zu wollen, ist etwas stärker schon in Deutschland, und im deutschen Norden wiederum etwas stärker als in der deutschen Mitte; erheblich stärker in England, Spanien und Korsika, dort an das Phlegma, hier an harte Schädel gebunden, - um nicht von Italien zu reden, welches zu jung ist, als dass es schon wüsste, was es wollte, und das erst beweisen muss, ob es wollen kann-, aber am allerstärksten und erstaunlichten in jenem ungeheuren Zwischenreich, wo Europa gleichsam nach Asien zurückfließt, in Russland. Da ist die Kraft zu wollen seit langem zurückgelegt und aufgespeichert, da wartet der Wille – ungewiss, ob als Wille der Verneinung oder der Bejahung- in bedrohlicher Weise darauf, ausgelöst zu werden, um den Physikern von heute ihr Leibwohl abzuborgen. Es dürften nicht nur indische Kriege und Verwicklungen in Asien dazu nötig sein, damit Europa von seiner größten Gefahr entlastet werde, sondern innere Umstürze, die Zersprengung des Reiches in kleine Körper und vor allem die Einführung des parlamentarischen Blödsinns, hinzugerechnet die Verpflichtung für jedermann, zum Frühstück seine Zeitung zu lesen. Ich sage dies nicht als Wünschender: mir würde das Entgegengesetzte eher nach dem Herzen sei, - ich meine eine solche Zunahme der Bedrohlichkeit Russlands, dass Europa sich entschließen müsste, gleichermaßen bedrohlich zu werden, nämlich einen Willen zu bekommen, durch das Mittel einer neuen, über Europa herrschenden Kaste, einen langen furchtbaren eigenen Willen, der sich über Jahrtausende hin Ziele setzen könnte: - damit endlich die langgesponnene Komödie seiner Kleinstaaterei und ebenso seine dynamische wie demokratische Vielwollerei zu einem Abschluss käme. Die Zeit für kleine Politik ist vorbei: schon das nächste Jahrhundert bringt den Kampf um die Erd-Herrschaft, den Zwang zur großen Politik.“


...es geht nicht um das Erschaffen von Gegenbildern.
Meine Frage laute:"Wie kann Dichotomie aufgelöst werden?"

Kampf um das Steuer
von Otilia Gräfin Kraszewska

Permalink (8 Kommentare)   Kommentieren

 


Dienstag, 14. Januar 2014
Menschliches, Allzumenschliches
"Masken.- Es gibt Frauen, die, wo man auch nachsucht, kein Inneres haben, sondern reine Masken sind. Der Mann ist zu beklagen, der sich mit solchen fast gespenstischen, notwendig unbefriedigenden Wesen einlässt, aber gerade sie vermögen das Verlangen des Mannes auf das stärkste zu erregen: er sucht nach ihrer Seele - und sucht immerfort."
Nietzsche

(Wand:EWGRAF)

"Persona bezeichnete ursprünglich eine im antiken griechischen Theater von den Schauspielern verwendete Maske, welche die Rolle des Schauspieler typisiert. Der Name ist abgeleitet aus dem lateinischen(personare= hindurchtönen). Hieraus ist wiederum abgeleitet der psychologische Begriff der Person."(wikipedia)

Schon in der Kindheit lernen wir, in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. So verhalten wir uns bei den Großeltern anders, als bei den Eltern. In der Schule, bei den Lehrern anders als zuhause. Wer weiß nicht von der Bürde seiner Rolle, die er im Elternhaus trägt?
Eine erstaunliche Flexibilität, dem sich das Kind unterwirft. Obwohl, erstaunlich? Besteht beim Kind noch dieser kräftige, gesunde Lebenswille.

Im Laufe der Zeit beginnen die Rollenbilder zu bröckeln.
Gedicht aus Jugendjahren:

"Ich lache, lache über den Witz,
habe ich ihn gemacht, oder wer?
Es ist schwer über ihn zu lachen,
doch warum, warum lache ich dann?
Ich lache, höre meine unechte Stimme,
- sie lacht -
will ihm entrinnen, dem schrecklichen Lachen,
muss mich besinnen, dem schrecklichen Lachen,
doch ich, ich lache nur weiter."

Ungefähr zeitgleich:

"Ich träumte, ich wäre ein Clown,
der in der Manege tanzt und singt und springt,
die Zuschauer zum lachen bringt.
Der mal hier, mal da, mal dort,
an jenem Ort, dann wieder fort,
sich bückt und reckt und streckt,
nur Freude im fremden Antlitz erweckt.
Nur für ein paar Minuten ist er Clown,
dann nimmt er die Maske ab und denkt daran,
dass auch er, der Clown ganz traurig schauen kann."

Zwei Jahre später:

"Der schöne Schein, der glänzenden Hülle, er trügt.
Der Schein in blendender Fülle, er lügt.
Unter der Hülle, moderndes Dasein,
wie feuchte Blätter, die zum Welken schon zu alt.
Unter der Hülle, faulendes Fleisch,
nicht schön,
nicht glänzend und blendend.
Kein Schein – der trügt –
- der lügt -."

Nicht abgeschlossen mit der Suche nach dem wahren Selbst, begegnet mir Nietzsche immer wieder. In diesen Jugendjahren zu früh. "Femme fatale" kein Thema. Das hässliche Entlein bedarf noch seiner Körperakzeptanz. Jahrelang, jahrzehntelang, dachte ich er hätte recht, so viele Rollen zu spielen, Masken zu tragen, dahinter Leere.
Wie mutig, von der Jugend, in den Widerstand, gegen Gesellschaft und Familie zu gehen, die Maske abzunehmen, schonungslos das nackte Gesicht zu entblößen.
Jetzt nicht wegsehen!
Es ist nötig, hier hinzusehen, Menschlichkeit aufzudecken.

Nicht zu sein, in der Jugend, ist eine andere Angst, es ist der Zugehörigkeitsverlust, als diese jetzige Angst vor Leere, bei der ich ins Nichts gehe. Beides Angst. Ich frage mich, wieso diese beiden Ängste aufeinander treffen, wo ist der Schnittpunkt, was haben sie miteinander zu tun?
Lassen Sie mich dieses Nichtsein nochmal ansehen. Es ist ja nicht so, dass da nichts wäre: "Unter der Hülle, moderndes Dasein..." Sind das nicht einfach unser bzw. meine, mir eigenen, unschönen Eigenschaften, unerlösten Monster? Sicher nicht schön anzusehen. Ängstigt mich der traurige Anblick faulenden Fleisches heutzutage zu sehr? Heutzutage oder immer noch? Kann ich keine Gegenbilder erschaffen und gehe lieber in innere Leere?
Es geht nicht um das Erschaffen von Gegenbildern...

“...ebenso ist die ganze Welt innerer Zustände, die sogenannte „Seele“..., Nietzsche. Seine Worte schieben mich zum Mittelpunkt einer Wegkreuzung, halten mich dort zeitlos, wie eine Spiegelung, in der Vergangenheit auf Gegenwart trifft. Oder trifft in der Gegenwart, Vergangenheit auf Zukunft? Nietzsche, nicht der ideale Wegbegleiter, aber ein guter Verdichter.
So sehr es mich nach Vollkommenheit dürstet, so sehr zeigt er mir Unvollkommenheit auf.
Innere Zustände der Seele: Gefühle, Triebe, Instinkte, Leidenschaften, Gedanken, Willensimpulse, Empfinden(vom Ge-fühl gesondert betrachtet, ist Empfinden ein in das Fühlen gehen)und Leere.

Warum hat mich diese Nietzsche Aussage so angesprochen?
Ins Fühlen gehen, bedeutet Empfindung zulassen. Schmerz, Verlust, Verletzung,... genauso wie Freude, Geborgenheit, Liebe...
Der Drang nach Lebendigkeit ist da, der gesunde, kindliche Lebenswille aber auch die Angst vor Verletzung, die es schafft, Lebendigkeit abzutöten.
Wenn ich eine Tür zumache, aus welchen Gründen auch immer, schließe ich mich aus.
Also wird die diesjährige Aufgabe sein, mein Herz, mit all seinen Schattierungen, sanft, geduldig, liebevoll zu öffnen. (Wieso sehe ich mich hier mit einem Brecheisen in der Hand stehen?
Na ja, mir schwebt da eine Fee vor, die, wie sollte es anders sein, im sanften Befehlston zwitschert: "Wünsch` dir was!"
Und so wünsche ich, naives Seelchen mir die eierlegende Wollmilchsau.
Kichernd fliegt meine Fee weiter:" Hihihi...wünschen ist weder Denken, noch Fühlen, noch Wollen...)
..es geht um Wiedervereinigung

Permalink (7 Kommentare)   Kommentieren

 


Mittwoch, 22. Mai 2013
Gutes Rad ist teuer
Weil ich dich so liebe, liebe, liebe und diese Liebe unter Beweis stellen möchte, werde ich mit dir radfahren. Die Tour darfst du aussuchen, ich vertraue dir, mich und mein Rad an.
In Erinnerung an deine letzte Mountainbiketour, mit Freunden auf die „Hohe Kiste“, hast du für uns die absolut abgespeckte Version, die kaum bergauf geht(denn ich hasse bergauf) durch die Eschenlaine, bei Murnau(ich liebe Murnau) gewählt.
Du ölst meine Radkette, überprüfst die Backenbremsen und beschließt, für diese Tour, dein altes Stadtrad zu nehmen, mit Kindersitz und Kind hinten drauf.
Klingt gut. Ein wunderschöner Tag, an dem wir, um ihn abzurunden in den Walchensee springen werden.
Ähmm...wir beginnen mit einer Steigung?
Nur bis zur nächsten Kurve, dann wird es flach, diese Beschwichtigung, von dir nehme ich gerne an.
Und so radle ich locker um die Kurve. Hey, da geht es ja noch weiter bergauf.
Also in deiner Erinnerung gab es auf dem Weg zur „Hohen Kiste“ keine Steigung.
Na, ich will mal nicht so sein, immerhin ist dein Rad genauso alt wie meines und du hast das 10Kilo schwere Kind hinten drauf.
Jetzt wird es aber schon härter, der Weg verändert seine Struktur, da liegen kleinere und grööößere Felsen im Weg, hier passieren wir doch eine Schlucht oder Klamm.
Du musst absteigen, ich helfe dir dein Rad mit dem Kind zu schieben. Jetzt wird es auch für das Kind an der Zeit abzusteigen. Puhhh...du hattest den Weg wirklich nicht steil in Erinnerung, die „Hohe Kiste“, ja die...
Die Steine werden wieder kleiner, ich bin eigentlich schon ein bischen fertig, du nimmst das, vom Laufen, quenglige, Kind wieder auf dein Rad und weiter geht’s bergauf.
Der Weg dreht sich höher und höher , das ist kein Treten, das ist ein Steigen in die Pedale.
Jetzt hat mich der Ehrgeiz gepackt und ich werde nicht absteigen, bevor der Gipfel erreicht ist!
Geschafft, auch ich bin oben, im Schneckentempo, mehr stehend als fahren angekommen.
Es geht bergab. Das Kind juchzt, du jauchzt und ich denk mir, au backe was jetzt runter geht, muss auch wieder hochgestrampelt werden.
Das ist kein Spaß, ich bremse ab, mein Hinterrad versucht, das Vorderrad zu überholen.
Ich mag nicht mehr, außerdem sehe ich dich nicht. Sicher wartest du entspannt am See. Hunde laufen auch voraus, kommen dann aber wieder zurück, nur so, ein kleiner gedanklich, vorbeihuschender Einwand aus meinen Hirnwindungen.
Erholt zeigst du mir den „schönen“ See und eine kaum auszumachende Hütte in weiter Ferne, in der wir gut Essen könnten.
Nee, echt nicht, ich bin fertig und der Rückweg beängstigt mich. Ich glaube, das schaffe ich nicht mehr. Ich bin zu fertig, zum Essen, zum Baden, am Ende, mir ist zum Heulen.
Ich möchte wieder zurück, aus Angst, auf der Strecke zu bleiben. Wir machen uns auf den Rückweg. Gerade mal aufgewärmt, nimmst du geschmeidig die Steigung während ich hechelnd und keuchend, mich Meter für Meter, wie eine alte Dampflok nach oben quäle.
Oh je, ich steige ab. Versagt! Selbst schieben ist anstrengend.
Es geht wieder bergab. Kleine Kinder fahren lachend auf ihren Fahrrädern an mir vorbei. Dich sehe ich nicht mehr, du bist Kilometer weit vorausgeeilt. Ich gestehe mir ein bergab mit dem Rad ist genauso schlimm, wie bergauf. Auf der Schotterpiste zu stürzen , tut sicher höllisch weh und so schiebe ich. Es werden keine Gefahren mehr eingegangen. Was für eine schreckliche Radtour und du immer mit deiner blöden „Hohen Kiste“. Nimm dir Männer zum Radeln in die Berge mit. Mich hast du auf jeden Fall überfordert, diese Tour ist nichts für mich. Ich hab dir schon immer gesagt, ich fahre weder bergauf noch bergab gerne. Ein Fahrrad ist ein Fortbewegungsmittel, um auf geraden Strecken von A nach B zu gelangen. Ah, sieh mal, hier geht es richtig steil den Abhang runter, ein kleiner Nervenkitzel, die Todesschlucht, fehlt nur noch ein Marterl, wie gut, dass ich schiebe. Ist mir doch egal, wie lang ich jetzt brauche.. Ich sehe dich vorne an der Ecke warten, das Kind mit Steinchen spielen. Deine Augen funkeln lustig, ausgelassen. Sprich mich lieber nicht an. Radfahren ist so was von blöd.
Du natürlich: “Na mein Schatz, wo bleibst du denn?“
Es hat sich ausgeschatzelt. Brummel, brummel, irgend etwas von wegen, mit dir geh ich nicht mehr Radfahren:“ Mördertour.“
Aber, du schaffst es, kannst mich noch mal locken, zeigst mir, wie der vom Geröll und Splitt zugeschüttete Weg wieder breiter wird und in angenehmen Waldboden übergeht. Nicht mehr lang, nicht mehr weit , deine Rede, du versprichst mir, in der Gaststätte an der Brücke, beim Auto, aus der Speisekarte zu wählen, was immer wir möchten. Na gut, steig ich halt wieder auf mein Fahrrad, freue mich auf ein kühles Bier und ein .....Schnitzel. Ende gut, alles gut.
Die Jahre vergehen.
Wir fahren in den Urlaub nach Elba, mit dem Auto und einem Rad, deinem Mountainbike .Wir fahren nach Grosetto, alle Räder dabei, dein Rennrad, für die Kinder und mich Räder, um auf dem Campingplatz rumzufahren.
Einmal im Jahr fährst du eine Woche mit deinen Spezln , und auch mal Fred Rompelberg, einem Holländer auf Mallorca richtig Rennrad, in Gruppen, im Windschatten, auf super asphaltierten Straßen, mit allem Pipapo.
Zuhause hast du nun ein richtiges, also leichtes Rennrad, ein Mountainbike, ein Stadtrad, da stehen doch noch mehr Räder in der Garage.
Du blätterst Fachzeitschriften, bietest mir ein Elektrobike an, ich bleib meinem Drahtesel treu.
Du würdest gerne mit dem Fahrrad nach Griechenland fahren, ich nicht.
Alles gut, alles bestens.
Unsere kleine Mountainbiketour verblasst, wie hieß diese Tour zum Walchensee noch?
Es steht wieder einmal an, dir meine Liebe zu unterbreiten.
Und so kommt mutig von mir:„ Schatz, lass uns eine Radtour machen. Ins Chiemgau. Ich liebe das Chiemgau, ich habe Jahre im Chiemgau verbracht. Der Chiemsee, ist so wunderschön. 80 Kilometer, leichte Familientour um den Chiemsee. Ich bin noch nie 80 Kilometer geradelt.“
Wir bringen die Kinder unter, besser gesagt, das kleine Kind, das große bleibt gerne mal allein Zuhause.
Du bist entzückt, wir kaufen Wein, etwas zum Knabbern.
Wir nehmen eine megalange Autofahrt in Kauf, irgendwie ist gerade Reggaefestival im Chiemgau, aber was soll`s.
In den Abendstunden touren wir einwenig um den See( na, die ein oder andere Steigung gibt’s da schon auch). Aber ich bin so nostalgisch-romantischer Laune. Ich weiß, um den See herum, gibt es Hunderte von einsamen, kleinen Buchten. Wir haben auf dem Campingplatz, die letzte Stelle, direkt am See bekommen. Die Sonne wird gleich in das Wasser tauchen, der Horizont ist rosig eingefärbt und süße kleine Enten schwimmen in Grüppchen durch das Bild.

Die Sonne geht unter, der Himmel entflammt und schon ist er erloschen.
Sterne funkeln, auf dem uns schützend umgreifenden Firmament.
Da, eine Sternschnuppe! Und du hast tatsächlich eine App auf deinem Handy, die Sternbilder anzeigt. Kleine Satelliten fliegen vorbei. Ich sehe die ISS. Der Wein schmeckt so fein. 21Sternschnuppen.
Du:“ Sag mal Schatz, um den Chiemsee zu radeln ist doch recht fad, und mit dem Rennrad...Ich hab hier eine kleine Tour zum Wagingersee, dort könnten wir Fischessen...nur 34Kilometer-einfach“
Ich :“Aber ja doch, mir geht es grade so gut“.
Stille! Kein Einsetzen schriller Alarmglocken , nicht mal ländliches Kirchturmgeläute! Ne, da läutet nichts.
Frühstück mit Kaffee und Semmeln, wir gehen es gemütlich an.
Den Campingbus parken wir auf der Straße. Wir schnallen die Räder runter und los geht`s.
Bischen durch das aufgehübschte Dorf bergauf, ich bin ausgeruht.
Grüne, satte Weiden und Wiesen, Blumen, wiederkäuende Kühe mit und ohne Hörner. Sonnenschein. Ein lustiger Wegweiser nach Waging . Demzufolge wir jede Richtung einschlagen können. Ich fotografiere, das findest du nicht soo lustig. Ich glaube, dich nervt die unklare Richtungsaussage.

Wir fragen andere Radfahrer, also ich frage, nach dem Weg. Waging wissen die jetzt nicht, aber Traunstein. Wir radeln, du moserst, die Richtung kann nicht stimmen. Ich mosere, immer musst du mosern, schon ist der Spaß gedämpft. Wir radeln tatsächlich an einem Ortsschild mit dem Aufdruck „Kotzing“ vorbei. Du meinst, ich solle das fotografieren. „Erst sagst du, ich soll nicht so viel fotografieren, dann sagst du, ich soll fotografieren, jetzt mag ich nicht mehr, mir ist schon zum Kotzen.“
Und ich häng noch an: “Ich will jetzt nach Waging, du weißt schon, von A nach B.
Du fragst noch:“ Soll ich den Bus holen ?“
„Nein, wir können uns durchfragen.“
Wir radeln die Traun runter, wir radeln die Traun rauf. Wir radeln die Wasserburger Landstraße runter und kommen nicht weiter, Baustelle.
Du möchtest die Landstraße eh nicht entlang radeln, kein Fahrradweg und kein Helm.
Ist mir doch egal.
Wieder mal treten wir irgend einen Berg hoch und ich frag mich wieso wohnen soweit oben Leute ?
Hufschlag, hab ich dieses Schild nicht schon einmal gesehen. Wir treffen andere Radler. Wenn ich mich genauer umschaue, sehe ich ganz schön viele Radler. Mit Rennrädern, Mountainbikes, immer Pärchen, komplett durchgestylt. Er vorne, sie hinter ihm, im Windschatten..hä..hä ich zieh doch nicht so blöde Hosen an und diese Klackerschuhe.
Aber nett sind sie, sie packen eine Karte aus und zeigen uns den Weg.
Währenddessen guck ich mich mal um. Chiemgau, kenne ich ja ein wenig und wenn ich mich richtig erinnere hatte keiner, wirklich keiner, auf dem Bauernhof meiner Großeltern ein Fahrrad. Nicht mal meine Oma und die kann heute noch nicht Auto fahren. Es gab einen Jeep, einen Bulldog, Mähdrescher, Motorrad...um den Chiemsee rum, ist es auf jeden Fall hügelig, wenn nicht sogar bergig...die Freunde in den Pyrenäen , die haben zusammen ein Fahrrad, aber ehrlich gesagt, damit fahren sie nie, ist zu anstrengend.
Was mach' ich hier?
Wir fahren weiter. Ich sehe die schöne Gegend nicht mehr, du wirst immer schneller. Ich sehe nur noch die sich drehenden Räder auf der grauen Straße. Grau, grau grau, dir werde ich es zeigen. Ich radle auch schnell, so schnell ich nur kann, all meine Kraft steck ich in diese Strecke, mit allerletzten Kraftreserven hole ich alles aus meinem Rad und mirrr. Ich bekomm kaum mehrr Luft. Weiterrr, weiterrr, nicht schlapp machen. Die Oberlippe juckt, ein kleines, zwei Zentimeter breites Bärrrtchen beginnt zu spriessen. Der kleine Anpeitscher, Antreiber in mir breitet sich aus. Heil...
Und du, locker, flockig, ich sehe gar keinen Kraftaufwand, wie Hans guck in die Luft schnurrst du an mir vorbei. Bewunderst die in den sanft hügelig, pittoresk liegenden Gehöfte und die auf der Anhöhe vor blau, weißem Hintergrund, malerisch wirkende kleine Kirche.
Grrr..wann war mir das letzte mal zum Heulen?
Ich nehme all meinen Dampf raus. Jetzt ist es eh schon egal. Du findest Radeln toll, ich finde es...
Chinesisch ausgedrückt, da gibt es doch so "Jahrestiere", ist es, als würden ein Tiger und eine Ziege ein Wettrennen machen. Und der Tiger hat die Ziege sicher zum Fressen gern.
Mag doch der Waginger See dort unten glitzern, ich werd` nur noch wurstig vor mich hinfahren.
Und Fisch mag ich auch keinen mehr...
Na ja, du hast noch eine kurze Route zurück entdeckt. Leider waren auf der Karte die Steigungen nicht eingezeichnet. Auf dem Ottinger Berg, der natürlich nur bei mir die Bezeichnung Berg verdient, habe ich mich stinkig, du meinst ja defätistisch, in den Straßengraben gesetzt und bin, beim Ausruhen erschöpft in der Sonne eingeschlafen.
In der Zwischenzeit hast du den Bus geholt. Und auch hier, am Ottinger Berg gibt es eine Wirtschaft, mit dem, ich muss gestehen, besten Bier meines Lebens. Hoch lebe das Heinz von Stein Bier.
Radeln Schatz, so sehr ich dich auch liebe, nur noch in einem drei Kilometer Radius.

Permalink (13 Kommentare)   Kommentieren

 


Mittwoch, 8. Mai 2013
Wer will schon nach Meran?
oder die ganze Geschichte
aus Sicht eines Mitverschwörers am Fuße der Spanischen Treppe

Es begab sich zu einer Zeit, in der es hieß: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Diese Genugtuung wollte und konnte sie ihm nicht gönnen. Diese Erniedrigung, diese Schmach. Nicht nur, dass sie stundenlang im „Streetcafe“, dem vereinbarten Treffpunkt, vergeblich auf ihn warten musste, nein, es kam noch schlimmer, auch wenn es zunächst gar nicht danach aussah. Denn welch Überraschung, er schickte ihr zu ihrem 17ten Geburtstag, ein Telegramm.
Das Erste und Letzte in ihrem Leben.
Und da sie noch nie ein Telegramm von einem Boten überreicht bekam, freute sie sich erst mal.
Wusste sie nicht, dass Telegramme nichts Gutes bedeuten können?
„Alles-Liebe-mio-amore-bin-in-Meran“
Ein Scherz? Ungläubigkeit breitete sich aus und schwängerte den Nachmittag. Bald wurde aus Ungläubigkeit Enttäuschung, aus Enttäuschung Wut. Verletzlichkeit in all ihren Facetten.
„Okay mio amore, du kannst mich mal!“
All ihre Gefühle schrieen nach Rache. Die Beziehung schlicht zu beenden? Außer Frage, viel zu banal. Es musste etwas Anderes sein , etwas Besonderes, etwas Verrücktes. Irgendetwas, was ihr verletztes Ego wieder ins Lot bringen würde.
„Und wenn wir einfach auch wegfahren würden,“ schlug ein Freund vor. Er hatte zufälligerweise ab dem übernächsten Tag, vier Tage frei. Ein weiterer Freund wollte sich dem Trip gerne anschließen. Diese Idee gefiel ihr. Blieb nur noch die Frage, ob ihre Mutter damit einverstanden wäre und vor allem, wohin die Reise gehen sollte.
Die Erlaubnis bereitete wohl keine größeren Probleme, obwohl die Mutter den Freund nicht einmal kannte. Denn wenige Stunden nach aufkeimen des Plans gab es schon eine klare Ansage: Sie darf, und egal wohin Hauptsache weiter als Meran!
Was läge näher, als die Himmelsrichtung beizubehalten. Verona? Florenz? Oder gar Rom?
Das war es: Rom. Die ewige Stadt. Ja, sie könnte die entzündete Wunde der Eitelkeit reinigen, den anwachsenden Lavastrom zum Erlöschen bringen. Die Würfel waren gefallen.
Abfahrt Ostersonntag, kurz vor Mitternacht, Treffpunkt bei ihr. Ihr Auftrag, ein paar Häppchen vorzubereiten und vor allem eine Thermoskanne Kaffee bereitzuhalten, um den Erfolg der langen Fahrt zu gewährleisten.
Der Kaffee sollte stark sein. Er wurde ölig und schwarz, wie die Nacht.
Dann ging es los. Lauthals wurden „Frösche an die Wand“ gegrölt(eine andere Geschichte) und als sie nicht mehr konnten, eine Kassette von Elton John und Billy Joel eingeschoben, welche die nächsten Tage den Rekorder nicht mehr verlassen sollte.
Eine schnellere, hektischere und aufgekratztere Fahrt hatte der kleine giftgrüne Renault 4 noch nicht mitgemacht. Tapfer, in Begleitung von Rocket Man, Billy the Kid und Pianoman, überquerte er die Alpen und erreichte kurz nach Morgengrauen das Ortsschild von Meran. Von nun an waren die drei Freunde auf der Gewinnerstraße, was zunächst mit einem Freudenschrei und einige Kilometer weiter mit einem Frühstück gefeiert werden sollte.
Es wurden Sandwiches, ein Nusskuchen in Form eines Osterlamms und die Thermoskanne mit dem noch unberührten Kaffee ausgepackt. Sie hätten die Kanne besser nicht geöffnet, denn deren Inhalt war nicht nur ölig und schwarz wie die Nacht, sondern auch unübertrefflich scheußlich.
All ihren Mut zusammennehmend, leerten die zwei sich abwechselnden Fahrer aus wachbleibtechnischen Gründen ihre Tassen, nicht jedoch ohne dabei die Gesichter zu verziehen. Unverzüglich begannen die Hände zu zittern und der Schweiß sich auf der Stirn auszubreiten. Das Mädchen ließ man in dem Glauben, dass der Kaffee genau richtig, nämlich sehr stark sei.
Später gestanden ihr die Freunde, sie hätten den Sud in der Vorstadt Roms weggeschüttet und seien sich nicht sicher, ob die begossene Pflanze die Vergiftung überlebt hätte( wie Nachforschungen ergaben hatte die ungeübte Kaffeekocherin eine ganze Packung Espressopulver auf diese eine Kanne verwendet).
Mit zitterndem Leibe und mehreren Gramm reinem Koffein im Blut, ging die Fahrt Richtung Apeninen weiter.
Es war ein sonniger, milder Ostermontag und so war die Überraschung groß, als plötzlich Hunderte von Skitouristen die Straße säumten. In all dem Gewimmel ging es nur noch langsam voran und die Benzinuhr zeigte unmissverständlich, dass ein baldiger Tankstopp unvermeidbar war.
Feiertag im erzkatholischen Italien. Kein leichter Plan und die wenig offenen Stationen weigerten sich, die Adal-Tankgutscheine anzunehmen. So verflüssigte sich bis auf eine Handvoll Lire das Verpflegungsbudget und verschwand in der Tanköffnung. Doch es konnte weitergehen und als der Abend anbrach, waren sie wenige Kilometer vor Rom.
Sie übernachteten irgendwo am Strand und am Morgen verspeisen sie die letzten Reste des süßen kleinen Lamms. Ohne Kaffee, weil Kanne leer wie... !
Dann war es soweit. Frühling in Rom. Ein wunderbarer Tag (so schön wie der mit Andrey Hepurn in „Ein Herz und eine Krone''). Angefangen von der Autofahrt durch die Innenstadt, einem Cappuccino in der Bar, dem zugehörigem R-Gespräch (entfernter Seniore tedesco di Monaco, Sie haben einen Anruf aus Rom, Sie übernehmen die Kosten), etwas später die peinliche Szene, in der einer der Freunde es sich nicht verkneifen konnte Mundraub zu begehen, indem er von den Auslagen eines Obstladens drei Orangen heimlich in seiner Tasche verschwinden ließ, bis zum Pflichtbesuch des Colosseums in der Nachmittagssonne.
Kolosseum
Davon gibt es ein Selbstauslöserbild, manchmal kann ein Beweis nicht schaden.
Anschließend konnte es unsere Heldin nicht lassen, einen Selbstversuch zu unternehmen.
Sie hatte gehört, in Rom könne man trotz des quirligen Verkehrs, unbeirrt über die Straße gehen. Nur wählte sie keine Straße, sondern einen sechsspurige "Strada del morte" unweit des Peterplatzes.
Sie hatte recht, und ohne auch nur einen Blick nach links oder rechts zu verschwenden, kam sie auf der anderen Seite an. Es wurde nicht einmal gehupt.
Nach einer kleinen Runde auf dem heiligen Platz und ungläubigen Blicken auf die bunt, gefiederten Ballonhosen der Schweizer Garde, ging das Trio zu Fuß Richtung Spanischer Treppe. Nicht weit davon fanden sie einen kleinen Park, die Gitarre wurde ausgepackt und die saftigen Orangen verspeist. Es war ein spärliches, spätes Mittagessen. Der Unterzucker wurde zwar unterdrückt, aber jetzt kam der Hunger und die Frage der Nahrungsaufnahme wurde von Minute zu Minute dringlicher, es musste etwas passieren.

Zurück zur Spanischen Treppe, der Gitarrenspieler würde als Straßenmusikant seine selbstverfassten Texte trällern, das Mädchen seinen „Charlie-Hut“ abnehmen und damit an die Passanten treten.
Immer noch kann sie die weichen Knie, das Zittern der Hände und die nicht von der Sonne kommende Rötung im Gesicht empfinden. Wie ein flüchtiger, sofort bekannter Geruch, der die Nasenflügel weitet und über die feinen Flimmerhaare Vergangenes neu in die Gegenwart wirft.
Die Menschenmenge um die Spanische Treppe wuchs an. Der Hut war fast bis zur Krempe gefüllt, als ein Carabinieri sich lässig aus der Menge löste, dem Mädchen grinsend den Hut aus den Händen nahm und den Inhalt in seine Taschen schüttete.
Die drei Freunde scheuchte er wie lästige Fliegen von der Treppe.
Wie ungerecht, von diesem armselig, ausgekochten Maccaroni-Sheriff, anderen Menschen ihre mutig erbettelten Brotkrumen zu stehlen und dabei auch noch Kunst in den Schmutz zu treten.

Außer paar weniger Münzen, die noch in irgendwelchen Hosentaschen wohnten, hatten sie alles Geld verloren.
Die Spende
Der Abend brach an und man sehnte sich immer mehr nach etwas zu Essen, aber auch nach einer Gelegenheit, sich den Großstadtschweiß, der in allen Ritzen klebte abzuwaschen.
Es folgte eine Odysee durch die Vororte Roms, Zielobjekt Campingplatz. In der Hoffnung dort unbemerkt eine Dusche nehmen zu können.
Sie hatten Glück, es ergab sich sogar noch die Möglichkeit, in der Campingbar einen kleinen Espresso zu trinken und ihr wirklich letztes Geld, in einem kleinen Lädchen gegen ein kleines Brot zu tauschen. Zurück am kleinen R4, der nahe am Campingplatz parkte, grinste der eine Freund selbstzufrieden und legte protzig ein paar Essenssachen und eine Flasche Wein auf das Autodach. „Was, du auch!“ entrüstete sich das Mädchen lächelnd, öffnete ihren arg ausgebeulten Trenchcoat und präsentierte ihrerseits die Beute. Nur der Dritte hatte nichts, wohl nicht mal die Idee oder auch nicht den Mut. Doch das war nicht weiter schlimm. Ausgelassen füllten sie ihre leeren Bäuche.
Nun hatten sie wieder Kraft, sich auf die letzte, der auf der Liste stehenden offenen Aufgabe zu konzentrieren: Das Projekt “ Senso-Unico.“
Ein italienisches Einbahnstraßenschild sollte unbedingt als Souvenir mit nach München.
„So eine weite Fahrt, in so einem alten Auto, und dann gerade mal einen Hammer, eine Beiss- und eine Kombizange dabei ? Das darfs doch wohl nicht geben“ bemerkte ungläubig der potentielle Schilderdieb. Doch selbst mit dieser unprofessionellen Ausrüstung dauerte es nur wenige Minuten, bis das Opfer seinen Widerstand aufgab und ehrenvoll im Kofferraum verschwand.

Jetzt schnell weg.
Kurz darauf fanden sie einen Ort, der ihnen geeignet erschien die Nacht zu verbringen. Sie kauerten sich auf die Autositze und versanken im gerechten, unbequemen Schlaf.
Den brauchten sie auch, denn am nächsten Tag, stand die Heimreise an.
Als sie spätnachts endlich in München ankamen, fühlten sie sich völlig erschöpft, aber großartig.
Die „Senso-Unico“ Trophäe im Gepäck, die gekränkte Eitelkeit geheilt, der wütende Lavastrom gestoppt und die Erinnerung an eine Italienreise die ihnen immer bleiben würde.
Ciao Roma.
Wer will schon nach Meran?

Permalink (1 Kommentar)   Kommentieren

 


Dienstag, 18. Dezember 2012
Weihnachtskerzlein
Engel
mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Ich möchte ein Weihnachtskerzlein
In meinen Händen sehen,
und mit dem Freudenlichtlein
durch dunkle Gassen gehen.
Ich möchte den Menschen sagen,
die immerzu nur klagen:
Die Welt ist nicht nur dunkel,
voll Sorgen, Leid und Not!
Drum bringe ich euch heut
Mein Weihnachtslicht zur Freude!
Nun öffnet schnell die Herzenstür,
dass jeder euer Lichtlein spür!

Herkunft unbekannt

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren

 


Montag, 10. Dezember 2012
Der Unkenruf
RELATIONSBILD

http://www.youtube.com/watch?v=AoEtjlqyvTI
Faust:
"Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?"
Mephistopheles:
"Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes hält –
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, soviel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange;
So, hoff’ ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Körpern wird’s zugrunde gehn."

Permalink (5 Kommentare)   Kommentieren

 


Dienstag, 16. Oktober 2012
Juhuuu,
endlich, ich habe einen Kosenamen.
Seit Jahrzehnten warte ich auf diesen Moment, auf meinen eigenen, nur für mich angepassten Namen. Auf die „Indianertaufe“.
Mein Freigeist fliegt mit seiner Leier, dem kurzen, weißen Kleidchen, eine Attitude tanzend, aus meinem Körper gen Himmel.
So fühlt sich Glückseligkeit an. Dieses Gefühl muss ich aufsaugen, halten, weiß ich doch, wie instabil es ist.
Mein eigener Kosename, von meinem Mann!
Nicht so ein langweiliger, x-beliebiger, unter Eheleuten üblicher.
Oder der aus der Kindheit, so verhasste Spitzname. Der im hintersten Stübchen verschlossen wurde und es tatsächlich schaffte, in einer wilden Nacht aus Jugendzeit, auszubrechen um sich, in seinem dunklen Gewand, über mich zu werfen. Eiskalt lief er mir über den Rücken und wollte sich mit seinen langen, knöchernen, viel zu großen Händen meiner Gestalt bemächtigen. Wie er mich beugte, bis meine Hände zu seinen wurden. Mein Rücken sich krümmte, die Fingerspitzen den Boden berührten. Gruselig!
Hätte die kalte Gemüsesuppe mich damals nicht Schritt für Schritt auf dem Grad der „Realität“ gehalten, ich wäre dem Irrsinn verfallen.
Ja, Spitznamen aus Kindermund können so bitter sein. Dieser, aus der Vergangenheit, wird zu meinen finstersten Geheimnissen gehören. Aber sollte er es wagen, nachts anzuklopfen, kann ich ihm jetzt entgegenlachen. Der Zauber ist gebrochen.
Ich wurde neu getauft:

„Kugelschreibär“

Haahhh, wie ich ihn liebe!
Könnten meine Augen rosa Herzchen sprühen, sie würden es tun.
Ich sehe, mein Mann kennt mich.
Er weiß, ich mag Willy Astor, er kennt meinen Hang zur Ursophilie(Eigenkreation):

Ein Bär aus dem Sibirischen, von Willy Astor:

Ein Bär aus dem Sibirischen
Hat Hunger, einen tierischen.
Der Grund, warum er hungert;
Weil er solang rumlungert

Drum ging der Bär dazu übär,
nach Häppchen umzuschaun,
und stand schon bald im Wald,
macht halt: vorm Medizinballbaum.

Ein Medizinball hing noch dran,
er pflückt und stopft ihn rein,
er schlingt die braune Kugel,
um dann furchtbar laut zu schrein!

Er hörte nie mehr auf zu schrein,
von dem Moment war klar,
dass er aufgrund der Kugel nun
ein Kugel-Schrei-Bär war.

Scha-atz, da hast du mich aber unter Zugzwang gesetzt ;)

Permalink (1 Kommentar)   Kommentieren

 


Montag, 17. September 2012
Begegnung
by lalol

Fünf Männlein sind in den Wald gegangen. Sie wollen einen Hasen fangen...was du heute kannst besorgen, ...zickezacke Hühnerkacke...das verschiebe nicht auf morgen.
Wie auf der Hetz, so springt er durch den Wald, der Has.
Haken rechts, Haken links.
Aus dem Korb auf seinem Rücken, hüpft ein Schokoladenei, ploppert ins weiche Moos, bleibt in einer Mulde liegen.

Oh weh..., oh weh..., Africa is gone, Asia is done and Japan…never seems the same.
Il mondo difficile e la vita intensa…oh weh, oh weh….
Schweren Schrittes, die Augen auf den nadelig, braunen Weg gerichtet, übersieht er keine der querenden Wurzeln.

Ein weiteres Osterei springt aus dem Weidenkorb. Zurücksehend prallte das Hasentier, einem Fellbündel gleich, dem (Weh)Bär gegen die Brust.
Die Blicke der Beiden treffen sich.
Strahlen durch den Körper, den Geist, die Seele, in den innersten Punkt des Anderen.
„Woh!“ Tönt es voll und dunkel aus dem Bären. „So viel Raum in dir.“
Der Hase: „Ups, ein Wolf, - du wirst mir weh tun.“
Und er: „Ja, nimm mir mein Weh. Dann werde ich zur Maus. G`hupft wie.“
Vom Scheitel bis zur Sohle, in einer abwärts drehenden Spirale, sieht der Hase den Bären mit großen, tief traurigen Augen an: „Das kann ich nicht.“
An den Füßen bleibt er mit seinem Blick liegen: „Du hast ja Schuhe über deinen Pfoten.“ Ein mildes Lächeln zeichnet sich auf dem Hasengesicht ab. Und bleibt, der großen Zähne wegen, als lustig anzusehendes Grinsen hängen.
„Hmm.. Puma.“
Jetzt kann sich Meister Lampe nicht mehr halten. Wie ein jugendliches Wildschwein roflt er hemmungslos über den aufgewühlten Waldboden.
„Blau, um mir ein Stückchen Himmel auf die Erde zu holen.“
Verlegen, als wäre er bei etwas Ungehörigem ertappt, lenkt der Hase ein: „Hier auf dem Waldboden geht es sich ohne Schuhe leichter.“
Und schwup, da ist er weg, der Has.
Kurz guckt der Bär noch hinterher, bevor er seiner Wege geht.
Gedanken ziehen ihre Schleifen:
„Haarig, so ein Hasenbein.“

Permalink (1 Kommentar)   Kommentieren