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Samstag, 21. Oktober 2017
Sind wir doch mal ehrlich,
Am Samstag, 21. Okt 2017 im Topic 'Memorabilien'
natürlich gestalte ich mich im Laufe des Lebens selbst.
Nehme mir Vorbilder, moralischer, gesellschaftlicher, äußerlicher Art.
Habe mich so recht und schlecht zusammengezimmert.
Manchmal mehr, manchmal weniger zufrieden mit mir.
Aber jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Den habe ich mir nicht herbeigewünscht.
Das ist die sogenannte biologische Uhr, die erbarmungslos tickt und mein Ich auf den Kopf stellt.
Mich zerreißt. Ich zerreiße!
Das Glück tritt zurück!
Und auseinandergefallen, wie ich bin, gilt es, mich wieder zusammenzusetzen.
Wer bin ich?
Wer will ich sein?
Nehme mir Vorbilder, moralischer, gesellschaftlicher, äußerlicher Art.
Habe mich so recht und schlecht zusammengezimmert.
Manchmal mehr, manchmal weniger zufrieden mit mir.
Aber jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Den habe ich mir nicht herbeigewünscht.
Das ist die sogenannte biologische Uhr, die erbarmungslos tickt und mein Ich auf den Kopf stellt.
Mich zerreißt. Ich zerreiße!
Das Glück tritt zurück!
Und auseinandergefallen, wie ich bin, gilt es, mich wieder zusammenzusetzen.
Wer bin ich?
Wer will ich sein?
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Dienstag, 19. September 2017
50 grades of shay
Am Dienstag, 19. Sep 2017 im Topic 'Memorabilien'
Sie hastete die Stufen empor und erreichte die Wohnungstür.
Atemlos.
Er öffnete.
Sie drängte ihn in den Raum.
Er führte sie zum Sofa und wich zur Seite.
Sie setzte sich.
Kniend zog er ihr die Wildlederslipper von den seidigschwarzen Füßen und stellte sie parallel zueinander.
Dann richtete er sich auf um ihre kleinen Schuhe neben den seinen, in der Diele abzulegen.
„Wein?“
Sie hatte sich auf ihre Hände gesetzt und blickte zum Tisch.
Dort standen zwei langstielige Rotweingläser neben einer geöffneten Flasche.
Er nahm die Weinflasche und drehte das Etikett in ihre Richtung.
„Amarone.“
Sie lächelte, sie mochte diesen schweren Wein.
Er schenkte ein, reichte ihr ein Glas.
Und sagte:“Kiffen?“
Sie zog das Bukett der tiefroten Traube durch ihre geblähten Nasenflügel.
Langsam, kontrolliert ließ sie den gehobenen Brustkorb bis unter den, sich nach innen ziehenden, Bauchnabel sinken.
Und dachte: „Ficken.“
Er zündete den Joint an, saugte daran, reichte ihn ihr.
Kopfschüttelnd lehnet sie ab. Sie war schon high.
Er setzte sich an den Tisch und rauchte.
Sie nippte an ihrem Glas, stand auf, stellte es an den Tischrand, giff ihren Stuhl und platzierte diesen in der Mitte des Raums.
Dann verließ sie das Zimmer, ging in die Diele und öffnete seinen Schrank.
Inspizierte das Ordnungssystem.
An der Kleiderstange ein paar Oberhemden, zwei Jacketts.
Sie schob ihre Hand tief zwischen die Kleidungsstücke und drückte den glatten Stoff auseinander.
Suchend glitten die Finger von einem Hemd zum anderen.
Die Gewebestruktur kühlte ihre Fingerspitzen.
Als könnte sie sich am Jackett wärmen, hielt sie einen Augenblick in der Bewegung inne, zog das Revers zu sich, um den Hosenbügel einzusehen und zupfte eine Krawatte vom Bügel.
Leicht frierend schloss sie die Schranktür und kehrte in den, mit Rauch gefüllten Raum zurück.
Er saß am Tisch.
Sie trat zu ihm, nahm einen samtigen Schluck aus ihrem Glas. Umspült von der weichen Flüssigkeit bettete ihre Zunge, in der geräumigen Höhle, sich sanft auf den Mundboden. Die Frau beugte sich über den Mann und flößte ihm das herbe Nass ein.
Er ließ es geschehen.
Bei ihrem letzten Abschied tröstete er sie mit einem unerfüllten Versprechen.
Eine Erwartung, die noch in der Luft stand.
Aber dieses Mal verführte sie ihn.
Ruhend legte sie ihre Hand zwischen seine Schulterblätter, spürte die ankommende Wärme.
Der aufwärts schiebende Druck ihrer Handfläche Richtung Halswirbelsäule, bedeutete ihm aufzustehen und begleitete ihn zum frei platzierten Stuhl.
Er setzte sich.
Mit seiner Krawatte verband sie seine Augen von hinten nach vorne, wieder nach hinten.
Sie besetzte ihn mit ihrer Vorstellung.
Sein letzter, blinder Widerstand:
„Lieber eine Stumme in der Hand, als eine Taube auf dem Dach.“
Atemlos.
Er öffnete.
Sie drängte ihn in den Raum.
Er führte sie zum Sofa und wich zur Seite.
Sie setzte sich.
Kniend zog er ihr die Wildlederslipper von den seidigschwarzen Füßen und stellte sie parallel zueinander.
Dann richtete er sich auf um ihre kleinen Schuhe neben den seinen, in der Diele abzulegen.
„Wein?“
Sie hatte sich auf ihre Hände gesetzt und blickte zum Tisch.
Dort standen zwei langstielige Rotweingläser neben einer geöffneten Flasche.
Er nahm die Weinflasche und drehte das Etikett in ihre Richtung.
„Amarone.“
Sie lächelte, sie mochte diesen schweren Wein.
Er schenkte ein, reichte ihr ein Glas.
Und sagte:“Kiffen?“
Sie zog das Bukett der tiefroten Traube durch ihre geblähten Nasenflügel.
Langsam, kontrolliert ließ sie den gehobenen Brustkorb bis unter den, sich nach innen ziehenden, Bauchnabel sinken.
Und dachte: „Ficken.“
Er zündete den Joint an, saugte daran, reichte ihn ihr.
Kopfschüttelnd lehnet sie ab. Sie war schon high.
Er setzte sich an den Tisch und rauchte.
Sie nippte an ihrem Glas, stand auf, stellte es an den Tischrand, giff ihren Stuhl und platzierte diesen in der Mitte des Raums.
Dann verließ sie das Zimmer, ging in die Diele und öffnete seinen Schrank.
Inspizierte das Ordnungssystem.
An der Kleiderstange ein paar Oberhemden, zwei Jacketts.
Sie schob ihre Hand tief zwischen die Kleidungsstücke und drückte den glatten Stoff auseinander.
Suchend glitten die Finger von einem Hemd zum anderen.
Die Gewebestruktur kühlte ihre Fingerspitzen.
Als könnte sie sich am Jackett wärmen, hielt sie einen Augenblick in der Bewegung inne, zog das Revers zu sich, um den Hosenbügel einzusehen und zupfte eine Krawatte vom Bügel.
Leicht frierend schloss sie die Schranktür und kehrte in den, mit Rauch gefüllten Raum zurück.
Er saß am Tisch.
Sie trat zu ihm, nahm einen samtigen Schluck aus ihrem Glas. Umspült von der weichen Flüssigkeit bettete ihre Zunge, in der geräumigen Höhle, sich sanft auf den Mundboden. Die Frau beugte sich über den Mann und flößte ihm das herbe Nass ein.
Er ließ es geschehen.
Bei ihrem letzten Abschied tröstete er sie mit einem unerfüllten Versprechen.
Eine Erwartung, die noch in der Luft stand.
Aber dieses Mal verführte sie ihn.
Ruhend legte sie ihre Hand zwischen seine Schulterblätter, spürte die ankommende Wärme.
Der aufwärts schiebende Druck ihrer Handfläche Richtung Halswirbelsäule, bedeutete ihm aufzustehen und begleitete ihn zum frei platzierten Stuhl.
Er setzte sich.
Mit seiner Krawatte verband sie seine Augen von hinten nach vorne, wieder nach hinten.
Sie besetzte ihn mit ihrer Vorstellung.
Sein letzter, blinder Widerstand:
„Lieber eine Stumme in der Hand, als eine Taube auf dem Dach.“
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Sonntag, 30. Juli 2017
Es ist noch nicht zu Ende
Am Sonntag, 30. Jul 2017 im Topic 'Memorabilien'
Wie ein Zwetschgenmanderl sitzt er in seinem drehbaren Fernsehsessel.
Den Sauerstoff an das Beistelltischchen gehängt, hält er Audienz.
Seine Enkelin reicht ihm das Jahreszeugnis.
„Gut, lobenswert, Unterstufenchor, das musst du mir erklären.“
Das Kind setzt zur Erläuterung an. Dann ist sie entlassen und schlüpft aus dem Zimmer.
Ich bin mit ihm allein. Sitze neben ihm, auf einem weichen Ledersofa.
Er dreht seinen Stuhl in meine Richtung: "Was gibt es zu erzählen?“
„Es gibt nichts zu erzählen.“
„In Meran war ich in einer Ausstellung, ein Künstler stellte das Nichts aus…“
Wie hat er das Nichts zur Darstellung gebracht?“
„Das ist die richtige Frage.“
„Zwei sich überlappende Samtvorhänge zum Durchgehen und am Ende gab es einen dunklen, schwarzen Raum.“
Das ist nicht das Nichts. Schwarz-Weiß. Licht. Licht wird aus der Dunkelheit geboren, wispert es in mir.
„Gesehen habe ich nichts. Ich wurde zum Narren gehalten. Kunst für Dumme.“
Schweigen.
Er setzt von neuem an:„Ich kann nicht beurteilen, ob du viel leistest. Ich kann das nicht für dich beurteilen. Verstehst du?
Es gibt Menschen, die haben viel im Kopf.
Die Ärztin, ich halte sie für kompetent. Macht zusätzlich zur Praxis Hausbesuche. Sie hat mich heute besucht, mir das Blut abgenommen, mich angerufen, die Blutwerte durchgegeben und weitere Handlungsschritte erörtert. Für mich leistet sie außergewöhnliches, kein Zweifel.
Aber vielleicht ist das für sie nichts großartiges.
Eine Leistungsskala kann ich nur für mich erstellen, für niemanden sonst. Meine Leistung hat abgenommen. Nicht nur körperlich, auch geistig.“
Den Sauerstoff an das Beistelltischchen gehängt, hält er Audienz.
Seine Enkelin reicht ihm das Jahreszeugnis.
„Gut, lobenswert, Unterstufenchor, das musst du mir erklären.“
Das Kind setzt zur Erläuterung an. Dann ist sie entlassen und schlüpft aus dem Zimmer.
Ich bin mit ihm allein. Sitze neben ihm, auf einem weichen Ledersofa.
Er dreht seinen Stuhl in meine Richtung: "Was gibt es zu erzählen?“
„Es gibt nichts zu erzählen.“
„In Meran war ich in einer Ausstellung, ein Künstler stellte das Nichts aus…“
Wie hat er das Nichts zur Darstellung gebracht?“
„Das ist die richtige Frage.“
„Zwei sich überlappende Samtvorhänge zum Durchgehen und am Ende gab es einen dunklen, schwarzen Raum.“
Das ist nicht das Nichts. Schwarz-Weiß. Licht. Licht wird aus der Dunkelheit geboren, wispert es in mir.
„Gesehen habe ich nichts. Ich wurde zum Narren gehalten. Kunst für Dumme.“
Schweigen.
Er setzt von neuem an:„Ich kann nicht beurteilen, ob du viel leistest. Ich kann das nicht für dich beurteilen. Verstehst du?
Es gibt Menschen, die haben viel im Kopf.
Die Ärztin, ich halte sie für kompetent. Macht zusätzlich zur Praxis Hausbesuche. Sie hat mich heute besucht, mir das Blut abgenommen, mich angerufen, die Blutwerte durchgegeben und weitere Handlungsschritte erörtert. Für mich leistet sie außergewöhnliches, kein Zweifel.
Aber vielleicht ist das für sie nichts großartiges.
Eine Leistungsskala kann ich nur für mich erstellen, für niemanden sonst. Meine Leistung hat abgenommen. Nicht nur körperlich, auch geistig.“
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Montag, 18. April 2016
Alles fängt als Kugel an
Am Montag, 18. Apr 2016 im Topic 'Memorabilien'
Die leuchtende Zeitdiagonale zerschneidet den schwarzen Raum des Koordinatensystems symmetrisch.
Zeitlose, aneinandergereihte Ichpunkte.
Ich löse einen Punk aus der Geraden und eine schwerelose Kristallkugel schwebt auf meiner rechten Hand. Mit der linken greife ich durch eine Nebelwand in den Hohlkörper.
Mein Organismus wird in das Innere der Kugel gesaugt, die Größenverhältnisse gleichen sich an.
Eine Wirklichkeit schneidet die andere, zwei Kreise bilden eine Schnittmenge.
Der Nabel der Welt hat sich gebildet.
Die neue Welt füllt sich.
Häuserreihen an den gekrümmten Rand geschmiegt. Verzerrt, verschwommen und aufgrund des Nebels unklar. Bekannt und doch unbekannt. Schon einmal dagewesen und doch nicht.
Aus dem Ich bildet sich ein Du.
Der Dritte nähert sich.
Die Statur hat sich minimal verändert. Etwas zarter, ein wenig größer. Der Körper von seinem Gewicht befreit.
Du erkennst ihn und sprichst ihn an:
„Du hast mich nie als Frau gesehen.“
Er kennt dich und du gehst mit ihm.
Ohne Worte zeigt er dir seine Arbeitsstelle, ein Theater. Das passt zu ihm.
Du möchtest die Aufführung sehen.
Er führt dich die Treppe hinunter und geht.
Er hat dir keinen Platz im Publikum zugewiesen. Du bist im Orchesterraum allein.
Das Stück auf der Bühne die Generalaufführung eines... Marionettentheaters.
Du siehst es dir an. Am Ende gehst Du über den Notausgang hinaus.
Du wirst zum Ich.
Auf der Wiese liegen sorgsam ausgebreitet ein Kleid mit Hut. Dazugehörige Schuhe mit Absatz. Weiße Handschuhen und eine Handtasche.
Der Dritte, der dich kennt, hat es für mich bereitet.
Aus einem Traum ist Sie entstanden.
Zeitlose, aneinandergereihte Ichpunkte.
Ich löse einen Punk aus der Geraden und eine schwerelose Kristallkugel schwebt auf meiner rechten Hand. Mit der linken greife ich durch eine Nebelwand in den Hohlkörper.
Mein Organismus wird in das Innere der Kugel gesaugt, die Größenverhältnisse gleichen sich an.
Eine Wirklichkeit schneidet die andere, zwei Kreise bilden eine Schnittmenge.
Der Nabel der Welt hat sich gebildet.
Die neue Welt füllt sich.
Häuserreihen an den gekrümmten Rand geschmiegt. Verzerrt, verschwommen und aufgrund des Nebels unklar. Bekannt und doch unbekannt. Schon einmal dagewesen und doch nicht.
Aus dem Ich bildet sich ein Du.
Der Dritte nähert sich.
Die Statur hat sich minimal verändert. Etwas zarter, ein wenig größer. Der Körper von seinem Gewicht befreit.
Du erkennst ihn und sprichst ihn an:
„Du hast mich nie als Frau gesehen.“
Er kennt dich und du gehst mit ihm.
Ohne Worte zeigt er dir seine Arbeitsstelle, ein Theater. Das passt zu ihm.
Du möchtest die Aufführung sehen.
Er führt dich die Treppe hinunter und geht.
Er hat dir keinen Platz im Publikum zugewiesen. Du bist im Orchesterraum allein.
Das Stück auf der Bühne die Generalaufführung eines... Marionettentheaters.
Du siehst es dir an. Am Ende gehst Du über den Notausgang hinaus.
Du wirst zum Ich.
Auf der Wiese liegen sorgsam ausgebreitet ein Kleid mit Hut. Dazugehörige Schuhe mit Absatz. Weiße Handschuhen und eine Handtasche.
Der Dritte, der dich kennt, hat es für mich bereitet.
Aus einem Traum ist Sie entstanden.
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Donnerstag, 10. März 2016
hOMmAge
Am Donnerstag, 10. Mär 2016 im Topic 'Memorabilien'
Anna hat mich geweckt und so bin ich nicht gänzlich überrascht, als Karla die Tür aufmacht und zu mir tritt.
Sie hat das Spielbrett schon in ihren Händen.
„Wie geht es den Kindern? Geht es Nadja in der Schule gut? Ist Sofia noch mit Konstantin zusammen?
Der Johannes und die Katharina gehen jetzt beide nach Rosenheim auf das Gymnasium. Und der Johannes geht seit Schulanfang in den Plattelverein.“
Ob die Enkelkinder noch Kontakt haben, wenn ich nicht mehr da bin? Ich hab sie alle aufwachsen sehen. Jetzt haben sie ihre eigenen Kinder.
„Fünf Urenkel habe ich, der kleinste ist Lukas.
Du warst ein solcher Zornesbinkel, Karla. Einen roten Kopf hattest du vom Schreien, als du in den Laufstall musstest. So ein Dickschädel. Wir haben dich dann zum Heuen mitgenommen. Dein Kinderwagen stand hinten im Heuwagen.
Du warst lang bei uns.
Mit einem blauen Auge kam die Anna zu uns. Sie ist immer wieder zurückgegangen.
Aber du warst bei uns und hast Hennadreck gegessen.
Komm Karla, gib mir das Tablett, dann können wir auf dem Bett spielen.“
Karla beugt sich zu mir, küsst mich sanft auf beide Wangen und ich streiche ihr das helle, blonde Haar aus der Stirn.
„Ich lieg gut, stell das Spielbrett ab.“
Durstig bin ich nicht, aber ich trinke ein paar Schluck aus dem Glas, das sie mir reicht.
„Jetzt ist aber genug, lass uns spielen. Gib mir meine Brille. Nein, die Hörgeräte brauche ich nicht. Ich sehe die Würfel ja. Bei der Vier und der Sechs hilfst du mir.“
Als Anna ein Kind war, gab es keine Zeit zum Spielen. Ich lernte ihren Vater im Krieg kennen. Er kam aus Nürnberg, hatte dort eine Frau. Wie traurig seine Augen aussahen. Er war sehr allein. Ich konnte ihm nur ein wenig Wärme schenken, bis der Krieg in wieder zu sich nahm und nicht mehr losließ. Armer Karl.
Dann mussten wir weg. Das schöne kleine Haus verlassen. Die Anna konnte gerade laufen und ich war jung und stark. Ich war auch stärker als mein späterer Mann. Ich konnte viel tragen. Wille macht stark und ich wollte Bäuerin werden, nie wieder hungern. Der Krieg, was für eine Zeit.
Ich schieb die Vergangenheit weg und bin da. In der Gegenwart.
„Nicht dass du mir gewinnst Karla. Du stehst vor deinem Häuschen. Aber mit einer Zwei kommst du nicht rein, du brauchst eine Eins.
Das nächste Spiel gewinne ich. Jetzt bin ich müde. Grüß den Andreas und die Kinder von mir. Bring sie das nächste Mal mit und wir spielen „Mensch ärgere dich nicht“.
Nicht weinen!“
Sie hat das Spielbrett schon in ihren Händen.
„Wie geht es den Kindern? Geht es Nadja in der Schule gut? Ist Sofia noch mit Konstantin zusammen?
Der Johannes und die Katharina gehen jetzt beide nach Rosenheim auf das Gymnasium. Und der Johannes geht seit Schulanfang in den Plattelverein.“
Ob die Enkelkinder noch Kontakt haben, wenn ich nicht mehr da bin? Ich hab sie alle aufwachsen sehen. Jetzt haben sie ihre eigenen Kinder.
„Fünf Urenkel habe ich, der kleinste ist Lukas.
Du warst ein solcher Zornesbinkel, Karla. Einen roten Kopf hattest du vom Schreien, als du in den Laufstall musstest. So ein Dickschädel. Wir haben dich dann zum Heuen mitgenommen. Dein Kinderwagen stand hinten im Heuwagen.
Du warst lang bei uns.
Mit einem blauen Auge kam die Anna zu uns. Sie ist immer wieder zurückgegangen.
Aber du warst bei uns und hast Hennadreck gegessen.
Komm Karla, gib mir das Tablett, dann können wir auf dem Bett spielen.“
Karla beugt sich zu mir, küsst mich sanft auf beide Wangen und ich streiche ihr das helle, blonde Haar aus der Stirn.
„Ich lieg gut, stell das Spielbrett ab.“
Durstig bin ich nicht, aber ich trinke ein paar Schluck aus dem Glas, das sie mir reicht.
„Jetzt ist aber genug, lass uns spielen. Gib mir meine Brille. Nein, die Hörgeräte brauche ich nicht. Ich sehe die Würfel ja. Bei der Vier und der Sechs hilfst du mir.“
Als Anna ein Kind war, gab es keine Zeit zum Spielen. Ich lernte ihren Vater im Krieg kennen. Er kam aus Nürnberg, hatte dort eine Frau. Wie traurig seine Augen aussahen. Er war sehr allein. Ich konnte ihm nur ein wenig Wärme schenken, bis der Krieg in wieder zu sich nahm und nicht mehr losließ. Armer Karl.
Dann mussten wir weg. Das schöne kleine Haus verlassen. Die Anna konnte gerade laufen und ich war jung und stark. Ich war auch stärker als mein späterer Mann. Ich konnte viel tragen. Wille macht stark und ich wollte Bäuerin werden, nie wieder hungern. Der Krieg, was für eine Zeit.
Ich schieb die Vergangenheit weg und bin da. In der Gegenwart.
„Nicht dass du mir gewinnst Karla. Du stehst vor deinem Häuschen. Aber mit einer Zwei kommst du nicht rein, du brauchst eine Eins.
Das nächste Spiel gewinne ich. Jetzt bin ich müde. Grüß den Andreas und die Kinder von mir. Bring sie das nächste Mal mit und wir spielen „Mensch ärgere dich nicht“.
Nicht weinen!“
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Donnerstag, 6. August 2015
Der letzte Sommer
Am Donnerstag, 6. Aug 2015 im Topic 'Memorabilien'
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen
Die sich über die Dinge ziehn
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen
Aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang
Rilke
https://www.youtube.com/watch?v=lJ5DiAVeiBg
Und ich wanderte zu dir in deinen Garten. Du lagst im Schatten unter der Quitte.
Das kühle türkisblaue Tuch bedeckte dein flatterndes Herz.
Wir betrachteten die geschlossenen Knospen der Rose,
wissend um die in sich tragende Kostbarkeit.
Die Luft umhüllte uns mit ihrer sommerlichen Fülle.
Wir in diesem Tag, scheinend in seinem Glanz.
Der Augenblick wurde langsam und vergrößerte seinen Raum.
Und ich wusste, jetzt brach deine Zeit an. Nur für dich.
Du warst nicht mehr im Garten.
Dir fehlte die Kraft.
Und du fragtest mich:
„War er richtig dieser Weg? Bin ich den rechten Weg gegangen?“
Ich konnte dir Antworten:
„ Du gehst deinen Weg, wie könnte er abwegig sein?"
Und du nicktest:
„Die Verbundenheit mit der Natur, sie war mir immer wichtig.
Mit dem Universum werde ich mich verbinden.“
Du gabst mir Gelegenheit, dir zu sagen, was mir auf dem Herzen lag:
„Du bist mir meine große Schwester.
Du ebnest mir meinen Weg, so wie es Geschwister tun.
Du meine Wegbereiterin.“
Und du antwortest mir:
„ Ja, ich weiß. Ich bin neugierig auf diesen Weg.“
Der Hüter der Schwelle saß an deiner Tür und winkte mich durch.
Ich durfte bei dir sein.
Ich rieb dir die Füße ein.
Du weintest:
„Wie sehr habe ich mir gewünscht, dich in meiner schweren Zeit bei mir zu haben.“
Ich weinte.
Das Wasser unserer Seelen vermischte sich.
Der Hüter der Schwelle saß an deiner Tür und winkte mich durch.
Ich durfte bei dir sein und mein Versprechen einlösen:
"Wie du dich auch entscheidest, welchen Weg du auch gehst,
ich begleite dich."
der letzte Kuss
auf die Stirn
zwischen deine Augen
du lächelst
so leicht
"Die Nebel lüften sich.
Ein Engel erscheint
Sein Blick so klar.
Die Flügel weit.
Was will er mir sagen?
Kein Wort
Nur ein Blick
Tief in mein Herz hinein
Und leise ganz leise
sagt es ja"
G.G.
Bis über den Tod hinaus
ich liebe dich – ich vermisse dich
Die sich über die Dinge ziehn
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen
Aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang
Rilke
https://www.youtube.com/watch?v=lJ5DiAVeiBg
Und ich wanderte zu dir in deinen Garten. Du lagst im Schatten unter der Quitte.
Das kühle türkisblaue Tuch bedeckte dein flatterndes Herz.
Wir betrachteten die geschlossenen Knospen der Rose,
wissend um die in sich tragende Kostbarkeit.
Die Luft umhüllte uns mit ihrer sommerlichen Fülle.
Wir in diesem Tag, scheinend in seinem Glanz.
Der Augenblick wurde langsam und vergrößerte seinen Raum.
Und ich wusste, jetzt brach deine Zeit an. Nur für dich.
Du warst nicht mehr im Garten.
Dir fehlte die Kraft.
Und du fragtest mich:
„War er richtig dieser Weg? Bin ich den rechten Weg gegangen?“
Ich konnte dir Antworten:
„ Du gehst deinen Weg, wie könnte er abwegig sein?"
Und du nicktest:
„Die Verbundenheit mit der Natur, sie war mir immer wichtig.
Mit dem Universum werde ich mich verbinden.“
Du gabst mir Gelegenheit, dir zu sagen, was mir auf dem Herzen lag:
„Du bist mir meine große Schwester.
Du ebnest mir meinen Weg, so wie es Geschwister tun.
Du meine Wegbereiterin.“
Und du antwortest mir:
„ Ja, ich weiß. Ich bin neugierig auf diesen Weg.“
Der Hüter der Schwelle saß an deiner Tür und winkte mich durch.
Ich durfte bei dir sein.
Ich rieb dir die Füße ein.
Du weintest:
„Wie sehr habe ich mir gewünscht, dich in meiner schweren Zeit bei mir zu haben.“
Ich weinte.
Das Wasser unserer Seelen vermischte sich.
Der Hüter der Schwelle saß an deiner Tür und winkte mich durch.
Ich durfte bei dir sein und mein Versprechen einlösen:
"Wie du dich auch entscheidest, welchen Weg du auch gehst,
ich begleite dich."
der letzte Kuss
auf die Stirn
zwischen deine Augen
du lächelst
so leicht
"Die Nebel lüften sich.
Ein Engel erscheint
Sein Blick so klar.
Die Flügel weit.
Was will er mir sagen?
Kein Wort
Nur ein Blick
Tief in mein Herz hinein
Und leise ganz leise
sagt es ja"
G.G.
Bis über den Tod hinaus
ich liebe dich – ich vermisse dich
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Freitag, 24. Juli 2015
Burnout
Am Freitag, 24. Jul 2015 im Topic 'Memorabilien'
Die Hose war weit geworden. Fühlte sich ausgeleiert an. Äußerlich wie beim ersten Burnout, beim seelischen Burnout. Jedoch hatte dieses eine andere Auswirkung. Dieses Burnout sollte mich demütigen, wollte meinen Stolz brechen. Nahm meinen äußeren Rahmen. Ließ die Seele weder aus dem Körper treten, noch zart auf Wolken schweben. Um was ging es hier? Hier tobten, schäumende Wellen des Ärgers und eine Sturmflut der Wut erhob sich gegen Gott und die Welt. Hier wurde mir gezeigt, wie menschlich, wie unvollkommen ich war. All die mühsam erkletterten Karmastufen senkten sich ins Bodenlose.
Wir hatten vor, den Geburtstag meines Mannes am Abend groß zu feiern. Schon vor Monaten wurde ein Raum für an die hundert Gäste gemietet. Es sollte ein Fest für Verwandte, Freunde und Musiker werden. Mein Mann würde mit seiner Rockband auftreten. Mit angekündigter Session und Freibier, für auf der Bühne anwesende Musiker. Auch ich hatte vor, mich ins Rampenlicht zu stellen. Angefangen mit einem happy birthday to you ins Mikrophon hauchend, wie Marylin Monroe on stage für John F. Kennedy. Dann abbrechen mit der Erklärung, leider nicht so gut singen zu können und alle Freunde, denen es genauso ging, zur musikalischen Unterstützung auf die Bühne bitten. Happy birthday to you und Freibier für alle.
Beim Friseur, unterstützt durch die Zeitschrift aus der Glamourwelt gab ich mich meiner Vorstellung hin: Die blondierten Haare, zu einer mondän gestylten „Banane“ gedreht, wie Hitchcock es bei seinen Blondinen liebte. Im Kontrast graues T-Shirt, graue Röhrenjeans und Turnschuhe. Passend zur Frisur die Unterwäsche – sexy. Haha, da wusste ich noch nicht, dass dies meine einzige eigene Kleidung für die nächsten Monate sein sollte.
Es gab noch einiges zu organisieren: Das vorbestellte Essen abholen, den Raum vorbereiten, ein Rezept für den Couscoussalat suchen, diesen zubereiten.
Schnell nach Hause und loslegen.
Wieso standen die Nachbarn vor dem Gartentor?
Ich hatte jetzt keine Zeit, geschweige denn Muse für einen Ratsch.
Aber die wollten gar nicht ratschen. Sie fingen mich ab und führten mich, mit betroffenen Mienen in eine gegenüberliegende Wohnung. Eine tröstende Hand legte sich sanft auf meine Schulter. Was hatte das zu bedeuten? Im ersten Augenblick vermutete ich den Tod eines Angehörigen oder Bekannten. So setzte ich mich.
Der Bericht des Geschehenen drang zu mir durch, klang aber dermaßen unglaublich, unfassbar, also so schlimm konnte es nicht sein. Wie, unbewohnbar? Da wurde maßlos übertrieben.
In Begleitung der Nachbarn bekam ich eine Führung durch meine eigene Wohnung. Was für ein stechender, ungesunder, kaum erträglicher Geruch. Den Atem lieber flach halten. Von allen Raumecken her spannen sich schwarze Spinnwebennetze- auch wir putzten doch hin und wieder. Hatte ich etwa zu wenig Wert darauf gelegt, das Haus sauber zu halten? Der vor zwei Stunden gekaufte Salat schmierig, schwarz verfärbt, den konnte man nicht mehr essen. Er sah vor kurzem noch so frisch und knackig aus- ob er zum Abwaschen ging? Wahrscheinlich nicht. Die gesamte Wohnung glich dem Ambiente einer perfekt dekorierten Halloween-Party. Oder Pompeji, die Mandeln in der Schale erinnerten daran, dass die kurz zuvor noch jemand gegessen hatte.
"Burning down the house", vielleicht hätte die Band das am Abend spielen sollen. Oder "Smoke on the kitchen".
How the hell can I get that kitchen smell out of my clothes.
Ich landete im falschen Film. Protagonistin, Statistin, Cutterin und leider auch Produzentin in einem.
Der damit begann, das Fest am Abend wie geplant zu feiern(wo sollten wir auch hin?).
Im Drogeriemarkt, neben dem türkischen Stand für das Abendessen, kaufte ich mit einer Freundin erst einmal ein paar Zahnbürsten. Die alten waren verschmutzt, vermutlich sogar giftig. Da die Freundin keine Haarbürste dabei hatte, nahm ich gleich noch eine dazu, wir würden für die Zukunft eh neue brauchen.
An der Kasse ließen wir noch einmal Revue passieren, wie schrecklich alles aussah. Ich bemerkte den auf mir liegenden Blick der Kassiererin, die mich tatsächlich ansprach und meinte:" Also ich finde Ihre Haare sehen sehr hübsch aus.“
Da leistete sich der Regisseur in meinem Kopf einen kleinen slapstick:
„Entwurzelter Baum im Garten, Tornadowindstärke F4. Das Haar sitzt. Drei Wetter Taft!
Überschwemmung im Keller. Die Frisur hält. Drei Wetter Taft!
Die Wohnung, ausgebrannt, das Haar bleibt geschützt. Selbst Stunden später sitzt die Frisur noch immer perfekt!“
Lächelnd, fast lachend bedankte ich mich bei der Kassiererin.
"Schönes Haar sei dir gegeben, lass es leben mit Gard" -jetzt aber ruhe, du Virtuose der fantastischen Bilder in meinem Kopf und nimm deinen Chor bitte mit!
Was für ein skurril, mit Rückblenden, durchbrochener Geburtstag ( ich möchte anmerken, mit nur einem Gin Tonic meinerseits).
"Happy Birthday to you, my darling"
Am nächsten Morgen weckte mich mein Mann liebevoll mit den Worten:
“Das war kein Traum.“
Bericht von coracora:
"In dem 1993 erschienenem Buch “Kapitäne des Kapitals“ wird Robert Bosch folgendermaßen zitiert:
„Es war mir immer ein unerträglicher Gedanke, es könne jemand bei der Überprüfung eines meiner Erzeugnisse nachweisen, dass ich irgendwie Minderwertiges leiste. Deshalb habe ich stets versucht, nur Arbeit hinauszugeben, die jeder sachlichen Prüfung standhielte, also sozusagen vom Besten das Beste war.
Das Robert Bosch diesem Anspruch gerecht wurde, zeigt, dass auch über hundert Jahre nach Gründung der Firma Bosch der Name heute noch ein Begriff für qualitativ hochwertige Produkte ist. Trotzdem kam es im vergangenen Jahr zu einer großen Rückrufaktion einiger Geschirrspülmodelle. Trotz der bundesweiten Anzeigen in der Tagespresse konnten nicht alle Kunden erreicht werden. Zu diesen Kunden gehörten auch unsere Freunde. Sie schalteten ihren Geschirrspüler Bosch 5600048213(8206-1) ein und verließen für zwei Stunden das Haus.
Bei ihrer Rückkehr fanden sie eine Wohnung vor, die völlig unbewohnbar war, da sich der Geschirrspüler entzünde, ein riesiges Loch in die Arbeitsplatte der Küche schmolz und die gesamte Wohnung mit einer Schicht geschmolzenem Plastik überzogen hatte.
Glücklicherweise kam niemand zu Schaden, da sich die Familienmitglieder und die Katze, zu diesem Zeitpunkt außer Haus aufhielten. Aber das gesamte Inventar: Möbel, Kleider, Bücher, Kuscheltiere, Erinnerungsstücke wie Fotoalben u.s.w. sind völlig unbrauchbar geworden. Der beißende Gestank des vor sich hin schwelenden Plastiks zog durch die ganze Wohnung und machte selbst vor verschlossenen Kleiderschranktüren nicht halt.
Im Freundeskreis wird seit Wochen gewaschen, gelüftet und geschrubbt, um vielleicht einen Teil der Dinge retten zu können, denn nicht alles lässt sich so leicht ersetzen. Dies wird besonders deutlich, wenn man mit einem Wäschekorb voller Alben mit Familienfotos vor dem Altpapiercontainer oder dem Hochzeitskleid vor der Mülltonne steht. Stündlich entdeckt man Neues, von dem man sich trennen muss und das jetzt unwiederbringlich verloren ist."
Oh nein, du Schicksal, du kannst mich nicht brechen.
Nicht durch materiellen Verlust. Dann trete ich eben Jahre der Erinnerung in die Tonne.
Dann werfe ich halt weg und weg und weg…
Adieu: Huysmans , Oskar Wilde, Roald Dahl, Walter Mörs und ihr vielen, vielen Anderen.
Adieu ihr Berge von Kleidern und Klamotten.
Adieu du Tagebuch…
Nein, nicht die Geburtstagskarte meiner Freundin…
Oh mein Gott…
Natürlich kannst du mich brechen. Nimm mir nicht mir liebgewordene Menschen.
Ich beuge mich demütig…und bitte um Gnade.
Ja, du Schicksal, lehrst mich, mit dir zu hadern, mit all deinem Gut und Böse.
Wir hatten vor, den Geburtstag meines Mannes am Abend groß zu feiern. Schon vor Monaten wurde ein Raum für an die hundert Gäste gemietet. Es sollte ein Fest für Verwandte, Freunde und Musiker werden. Mein Mann würde mit seiner Rockband auftreten. Mit angekündigter Session und Freibier, für auf der Bühne anwesende Musiker. Auch ich hatte vor, mich ins Rampenlicht zu stellen. Angefangen mit einem happy birthday to you ins Mikrophon hauchend, wie Marylin Monroe on stage für John F. Kennedy. Dann abbrechen mit der Erklärung, leider nicht so gut singen zu können und alle Freunde, denen es genauso ging, zur musikalischen Unterstützung auf die Bühne bitten. Happy birthday to you und Freibier für alle.
Beim Friseur, unterstützt durch die Zeitschrift aus der Glamourwelt gab ich mich meiner Vorstellung hin: Die blondierten Haare, zu einer mondän gestylten „Banane“ gedreht, wie Hitchcock es bei seinen Blondinen liebte. Im Kontrast graues T-Shirt, graue Röhrenjeans und Turnschuhe. Passend zur Frisur die Unterwäsche – sexy. Haha, da wusste ich noch nicht, dass dies meine einzige eigene Kleidung für die nächsten Monate sein sollte.
Es gab noch einiges zu organisieren: Das vorbestellte Essen abholen, den Raum vorbereiten, ein Rezept für den Couscoussalat suchen, diesen zubereiten.
Schnell nach Hause und loslegen.
Wieso standen die Nachbarn vor dem Gartentor?
Ich hatte jetzt keine Zeit, geschweige denn Muse für einen Ratsch.
Aber die wollten gar nicht ratschen. Sie fingen mich ab und führten mich, mit betroffenen Mienen in eine gegenüberliegende Wohnung. Eine tröstende Hand legte sich sanft auf meine Schulter. Was hatte das zu bedeuten? Im ersten Augenblick vermutete ich den Tod eines Angehörigen oder Bekannten. So setzte ich mich.
Der Bericht des Geschehenen drang zu mir durch, klang aber dermaßen unglaublich, unfassbar, also so schlimm konnte es nicht sein. Wie, unbewohnbar? Da wurde maßlos übertrieben.
In Begleitung der Nachbarn bekam ich eine Führung durch meine eigene Wohnung. Was für ein stechender, ungesunder, kaum erträglicher Geruch. Den Atem lieber flach halten. Von allen Raumecken her spannen sich schwarze Spinnwebennetze- auch wir putzten doch hin und wieder. Hatte ich etwa zu wenig Wert darauf gelegt, das Haus sauber zu halten? Der vor zwei Stunden gekaufte Salat schmierig, schwarz verfärbt, den konnte man nicht mehr essen. Er sah vor kurzem noch so frisch und knackig aus- ob er zum Abwaschen ging? Wahrscheinlich nicht. Die gesamte Wohnung glich dem Ambiente einer perfekt dekorierten Halloween-Party. Oder Pompeji, die Mandeln in der Schale erinnerten daran, dass die kurz zuvor noch jemand gegessen hatte.
"Burning down the house", vielleicht hätte die Band das am Abend spielen sollen. Oder "Smoke on the kitchen".
How the hell can I get that kitchen smell out of my clothes.
Ich landete im falschen Film. Protagonistin, Statistin, Cutterin und leider auch Produzentin in einem.
Der damit begann, das Fest am Abend wie geplant zu feiern(wo sollten wir auch hin?).
Im Drogeriemarkt, neben dem türkischen Stand für das Abendessen, kaufte ich mit einer Freundin erst einmal ein paar Zahnbürsten. Die alten waren verschmutzt, vermutlich sogar giftig. Da die Freundin keine Haarbürste dabei hatte, nahm ich gleich noch eine dazu, wir würden für die Zukunft eh neue brauchen.
An der Kasse ließen wir noch einmal Revue passieren, wie schrecklich alles aussah. Ich bemerkte den auf mir liegenden Blick der Kassiererin, die mich tatsächlich ansprach und meinte:" Also ich finde Ihre Haare sehen sehr hübsch aus.“
Da leistete sich der Regisseur in meinem Kopf einen kleinen slapstick:
„Entwurzelter Baum im Garten, Tornadowindstärke F4. Das Haar sitzt. Drei Wetter Taft!
Überschwemmung im Keller. Die Frisur hält. Drei Wetter Taft!
Die Wohnung, ausgebrannt, das Haar bleibt geschützt. Selbst Stunden später sitzt die Frisur noch immer perfekt!“
Lächelnd, fast lachend bedankte ich mich bei der Kassiererin.
"Schönes Haar sei dir gegeben, lass es leben mit Gard" -jetzt aber ruhe, du Virtuose der fantastischen Bilder in meinem Kopf und nimm deinen Chor bitte mit!
Was für ein skurril, mit Rückblenden, durchbrochener Geburtstag ( ich möchte anmerken, mit nur einem Gin Tonic meinerseits).
"Happy Birthday to you, my darling"
Am nächsten Morgen weckte mich mein Mann liebevoll mit den Worten:
“Das war kein Traum.“
Bericht von coracora:
"In dem 1993 erschienenem Buch “Kapitäne des Kapitals“ wird Robert Bosch folgendermaßen zitiert:
„Es war mir immer ein unerträglicher Gedanke, es könne jemand bei der Überprüfung eines meiner Erzeugnisse nachweisen, dass ich irgendwie Minderwertiges leiste. Deshalb habe ich stets versucht, nur Arbeit hinauszugeben, die jeder sachlichen Prüfung standhielte, also sozusagen vom Besten das Beste war.
Das Robert Bosch diesem Anspruch gerecht wurde, zeigt, dass auch über hundert Jahre nach Gründung der Firma Bosch der Name heute noch ein Begriff für qualitativ hochwertige Produkte ist. Trotzdem kam es im vergangenen Jahr zu einer großen Rückrufaktion einiger Geschirrspülmodelle. Trotz der bundesweiten Anzeigen in der Tagespresse konnten nicht alle Kunden erreicht werden. Zu diesen Kunden gehörten auch unsere Freunde. Sie schalteten ihren Geschirrspüler Bosch 5600048213(8206-1) ein und verließen für zwei Stunden das Haus.
Bei ihrer Rückkehr fanden sie eine Wohnung vor, die völlig unbewohnbar war, da sich der Geschirrspüler entzünde, ein riesiges Loch in die Arbeitsplatte der Küche schmolz und die gesamte Wohnung mit einer Schicht geschmolzenem Plastik überzogen hatte.
Glücklicherweise kam niemand zu Schaden, da sich die Familienmitglieder und die Katze, zu diesem Zeitpunkt außer Haus aufhielten. Aber das gesamte Inventar: Möbel, Kleider, Bücher, Kuscheltiere, Erinnerungsstücke wie Fotoalben u.s.w. sind völlig unbrauchbar geworden. Der beißende Gestank des vor sich hin schwelenden Plastiks zog durch die ganze Wohnung und machte selbst vor verschlossenen Kleiderschranktüren nicht halt.
Im Freundeskreis wird seit Wochen gewaschen, gelüftet und geschrubbt, um vielleicht einen Teil der Dinge retten zu können, denn nicht alles lässt sich so leicht ersetzen. Dies wird besonders deutlich, wenn man mit einem Wäschekorb voller Alben mit Familienfotos vor dem Altpapiercontainer oder dem Hochzeitskleid vor der Mülltonne steht. Stündlich entdeckt man Neues, von dem man sich trennen muss und das jetzt unwiederbringlich verloren ist."
Oh nein, du Schicksal, du kannst mich nicht brechen.
Nicht durch materiellen Verlust. Dann trete ich eben Jahre der Erinnerung in die Tonne.
Dann werfe ich halt weg und weg und weg…
Adieu: Huysmans , Oskar Wilde, Roald Dahl, Walter Mörs und ihr vielen, vielen Anderen.
Adieu ihr Berge von Kleidern und Klamotten.
Adieu du Tagebuch…
Nein, nicht die Geburtstagskarte meiner Freundin…
Oh mein Gott…
Natürlich kannst du mich brechen. Nimm mir nicht mir liebgewordene Menschen.
Ich beuge mich demütig…und bitte um Gnade.
Ja, du Schicksal, lehrst mich, mit dir zu hadern, mit all deinem Gut und Böse.
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Freitag, 16. Januar 2015
Schneekönigin
Am Freitag, 16. Jan 2015 im Topic 'Memorabilien'
Blitzschnell überzog eine Eisschicht den Körper der erstarrenden Königin. Sie hielt den wütenden Bären in ihrem Innenraum. Sein Durchbrechen hatte eine vernichtende Wirkung auf ihre Außenwelt. Er hatte die Kraft, ihr das Liebste zu zerstören. Kein menschliches Wesen war diesem Ungeheuer gewachsen.
So sehr sich die Schale ihres Körpers verhärtete, sie war nicht hart, nicht fest, nicht eisig genug.
Dieses Mal konnte sie seine übermäßige Kraft nicht in Zaum halten. Der eiserne Ring, um seinen Hals, gehalten von der massiven Gliederkette schnürte dem furchterregenden Ungetüm die Luft ab. Wütend, um sich schlagend, warf der Riese sich mit aller Wucht gegen sein Gefängnis. Das Eis splitterte. Brach durch das Gewicht des um sich tobenden Bären in unzählige Kristallstücke. Der Scherbenberg fiel lautlos bis über das Brustfell zusammen. Wuchtig sausten seine Pranken durch die Luft, unfähig den Unterkörper zu bewegen. Ein Schnitt seiner messerscharfen Krallen verletzte den linken Unterarm der ältesten Prinzessin, die auf dem Platz der Königin saß.
In der still stehenden Zeit schlugen dunkelrote Bluttropfen auf den Boden.
Die Königin raffte die Kette und zog das erschöpfte Scheusal in ihren Innenraum.
Leibärzte versorgten die Wunde der großen Tochter.
In der nächsten Nacht suchte die gebrochene Königin den alten Gott ihrer Ahnen auf.
Es galt ein Abkommen zu treffen, das Monster zu bändigen.
Jeden Abend, beim Zubettgehen, würde sie in Gedanken ihre Unterarme geöffnet auflegen und den goldenen Lichtstrahl fließender Lebensenergie dem Gott der Ahnen opfern. Damit nahm sie dem wütenden Tier seine Kraft.
Seit dieser Zeit liegt der dunkle Schatten auf ihrer Seele – Das ihr Liebste wird nicht mehr verletzt.
So sehr sich die Schale ihres Körpers verhärtete, sie war nicht hart, nicht fest, nicht eisig genug.
Dieses Mal konnte sie seine übermäßige Kraft nicht in Zaum halten. Der eiserne Ring, um seinen Hals, gehalten von der massiven Gliederkette schnürte dem furchterregenden Ungetüm die Luft ab. Wütend, um sich schlagend, warf der Riese sich mit aller Wucht gegen sein Gefängnis. Das Eis splitterte. Brach durch das Gewicht des um sich tobenden Bären in unzählige Kristallstücke. Der Scherbenberg fiel lautlos bis über das Brustfell zusammen. Wuchtig sausten seine Pranken durch die Luft, unfähig den Unterkörper zu bewegen. Ein Schnitt seiner messerscharfen Krallen verletzte den linken Unterarm der ältesten Prinzessin, die auf dem Platz der Königin saß.
In der still stehenden Zeit schlugen dunkelrote Bluttropfen auf den Boden.
Die Königin raffte die Kette und zog das erschöpfte Scheusal in ihren Innenraum.
Leibärzte versorgten die Wunde der großen Tochter.
In der nächsten Nacht suchte die gebrochene Königin den alten Gott ihrer Ahnen auf.
Es galt ein Abkommen zu treffen, das Monster zu bändigen.
Jeden Abend, beim Zubettgehen, würde sie in Gedanken ihre Unterarme geöffnet auflegen und den goldenen Lichtstrahl fließender Lebensenergie dem Gott der Ahnen opfern. Damit nahm sie dem wütenden Tier seine Kraft.
Seit dieser Zeit liegt der dunkle Schatten auf ihrer Seele – Das ihr Liebste wird nicht mehr verletzt.
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Dienstag, 28. Oktober 2014
Jugendstil
Am Dienstag, 28. Okt 2014 im Topic 'Memorabilien'
Sie war angekommen. Stellte den gehetzten Motor aus, lehnte sich zurück und spürte den Kontakt zwischen Hinterkopf und Kopfstütze. Die Anspannung der schnellen Fahrt auf der Autobahn entwich dem Körper beim Ausatmen, wie ein, mit dem Windhauch weiterziehendes, flatterndes Stück transparenter Stoff.
Es dämmerte. Sie erkannte die Jugendstilvilla hinter der Burg aus der Beschreibung im Internet. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass es sich um ein Mehrparteienhaus handeln könnte. Ihr Wagen stand auf einem Privatparkplatz, zwischen weiteren zum Haus gehörenden Autos.
Neugier und Ängstlichkeit vor dem Unbekannten mischten sich. Sie kannte weder die fremde Stadt, die angepriesene Unterkunft, noch ihren Gastgeber.
Sicher hätte sie ein Hotel gegoogelt, wäre ihr Mann nicht so begeistert gewesen von diesem Anbieter für günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Das von ihr ausgesuchte Hotel in den Bergen mit Wellnessbereich, Frühstücksbuffet und drei Gänge Menü kostete ihn einen zu stolzen Preis. Nur ein Wochenende, zwei Übernachtungen und meine Frau, die Ilsebill, ...
Die von ihr entfachte Gedankenstichelei unter Eheleuten galt es zu unterbinden.
So sah sie sich die Luftmatratzenübernachtungsmöglichkeiten einmal an.
Hausboot in Amsterdam, Landstilhäuschen in England, Ranch in Australien mit Pool.
Aber hier ging es ja nur um ein Wochenende, in einer 2-3 Stunden entfernten Stadt.
Tiefparterre mit Gartenblick in Jugendstilvilla- vielversprechend.
Sich beim Anbieter anzumelden- schwerer als erwartet. Sie verbrachte den ganzen Nachmittag damit Anforderungen zu erfüllen. Der facebook-Account schien dem Anbieter nicht aktuell genug. Das dazugehörige Foto lud er sich jedoch gleich auf seine Seite. Der Provider erhob Anspruch auf die Kreditkartennummer und verlangte eine beglaubigte Personalausweiskopie. Als sie auch noch ein 15 Sekunden langes Video, bei dem sie ein Lied singen und auf der Straßenlinie einen Flic-Flac springen, ins Netz stellen sollte (wie die Szene der Polizeikontrolle, in Steve Martins Film:" Der Mann mit den zwei Gehirnen"), stieg sie aus. Ein flaues Gefühl in der Magengrube und „Big brother is watching you“ im Gedächtnis. Existenzängste. Georg Orwells Geschichte 1984 nahm kein gutes Ende und war längst in der Gegenwart angekommen.
Ade, du kleine, heile Welt.
Sie stellte den Kontakt zum Privatvermieter her. Konnte zwar nicht buchen, schrieb ihm aber, sich gerne für das Wochenende einmieten zu wollen. Leider wäre es nicht möglich durch die Security zu kommen.
Kein Problem, es könne auch in bar bezahlt werden, kam salopp zurück.
Ohne den potentiellen Vermieter zu kennen, hatte sie e-mail Kontakt hergestellt.
Sie schrieb leicht, locker, ihre Tochter würde 18 werden und sie als Eltern müssten für das Wochenende das Haus verlassen. Aus Anreden wie „Hi“ und „Huhu“ wurde sogleich „du“. Wenn sie schon nicht durch die offizielle Sicherheitsmaßnahme rutschte, wollte sie die Reservierung verbindlich wirken lassen. Vielleicht fremd dieser Computerwelt gegenüber aber sonst ehrlich-naiv.
Die Buchung inklusive Reinigungskosten kam nun doch teurer, als das von ihr angestrebte Wellnesshotel am See. Wenngleich ihr Mann Einwand der hohen Übernachtungskosten wegen erhob fuhren sie zusammen in eine beiden fremde Stadt und er stellte den gehetzten Motor aus.
Gemeinsam stiegen sie die Treppenstufen zur Eingangstür hinauf und suchten das Namensschild mit zugehöriger Klingel. Er läutete. Jemand öffnete.
Äußere Erscheinung und Namastegeste ließen auf einen Inder schließen. Anfang dreißig. In Jeans und olivgrünem T-Shirt, bat er das erschöpfte Paar einzutreten.
Im Treppenhaus stand ein Rennrad an die Wand gelehnt. Es fiel ihm angenehm auf, er fuhr auch Rad.
Die drei traten über einen kleinen Vorraum in die großzügige Küche. Ein Arbeitsblock in der Mitte. Dahinter ein Tisch besetzt mit einem Mann und zwei Frauen, grade etwas älter als ihre Tochter.
Zwei weitere Stühle wurden herangezogen. Ein weiß, grün gestreiftes Louis Quatorze Sesselchen zum Platznehmen, über den dunkelroten Perserteppich gehoben, für sie.
Zeit, ihren Blick schweifen zu lassen:
Indirektes Licht, rauchgeschwängerte Luft. In einer spindeldürren, meterhohen Yuccapalme steckten Räucherstäbchen. Daneben eine halb in die Wand integrierte graue Säule. Fenster bis zur Altbaudecke, gerahmt von ebenso hohen Heizkörpern, deren Regulatoren für sie nicht zu erreichen wären. Bestenfalls unter höchstmöglicher Streckung, auf einem Stuhl stehend, ging es ihr durch den Kopf.
Dunkler Parkettboden auf dem eine rotorange, fein geknüpfte, mit dunkelblauen Quadraten versehene, persische Brücke lag. Diese führte zum weinrot, wieder ornamental gehaltenen, größeren Teppich. Auf ihm, der antik, barocke Tisch mit seinen, leicht nach außen geschwungenen Beinen.
Die einst mit Schellack überzogenen, abgewetzte Tischplatte bedeckt mit allerlei Gläsern, Orangensaft, Wodka, Tabak und einem vollen Aschenbecher. Stilleben der Jugend.
Die junge Frau ihr gegenüber schüchtern, gerötete Wangen. Einige hellbraune, fast rötliche Locken entkamen dem gewundenen Koten ihrer Haare und umsäumten das ovale Gesicht.
Wie sanft dieses Mädchen schien, zurückhaltend. Rossettis Proserpina.
Der Gastgeber gab dem Mädchen einen väterlichen Kuss auf die Stirn.
Wie irritierend.
Sie wurden gefragt, ob sie gerne rauchen würden? Wohlig drehte sich ihr Mann eine Zigarette. Wie lange hatte er schon nicht mehr in einer Wohnung geraucht!
Ob sie Rotwein aus Italien trinken wollten, als einladende Frage gestellt. Der behände Gastgeber stellte einen zarten Kristallkelch vor sie und schenkte ein. Wie aufmerksam.
So ließ es sich entspannen.
Ihr Mann nahm mit einem einfachen Colaglas, Edition "Riesenfastfoodkette", vorlieb.
Sein Stuhl, instabil bei Bewegung, die Verleimung löste sich, sah bequemer aus, als er war.
Er blickte sich um:
Aus den Bluetoothboxen drang eine experimentelle Mischung aus Oberton und Walgesängen. Es handelte sich wohl um die Musik eines esoterischen youtube channel, wie auf dem Bildschirm des Macbooks zu erkennen war.
Was für ein exzentrischer popart Druck, im Stile Andy Warhols. Ein blonder Frauenkopf, seitlich gesehen in Comicart bunt gedruckt. Aus dem Mund schlängelte sich eine Zunge. Frech, obszön und mitten über der Küche angebracht.
Zu seiner Linken sonnenüberflutete, griechische Landschaftsbilder, in Öl. Große Leinwände mit hübschen Farben. Er mochte das satte, seine Nuancen wechselnde Blau des Himmels, des Wassers, selbst der Fensterläden. Weiße Häuser, ab und zu eine Kuppel. So friedlich.
Es klingelte an der Haustür. Der Gastgeber jonglierte einen Karton Riesenpizza an den Tisch.
Perfekte Konditionierung, er war hungrig und bekam das erste Stück angeboten.
Cool! Dieses bunte Gemisch aus Popart, naiver Malerei und tausend und einer Nacht gefiel ihm. Was für lockere Konventionen.
Sein Leben kam ihm eintönig, fast spießig vor.
Wie er brav von Montag bis Freitag in die Arbeit ging. Abends auf der Couch saß, fern sah.
Seine Frau erzählte gerade über den Grund ihres Wochenendausfluges. Sturmfrei für die Tochter, die ihren 18ten Geburtstag gebührend feiern wollte.
Wie enthusiastisch die jungen Leute sich an der Unterhaltung beteiligten. Feurig berichteten sie von ihren Erfahrungen mit Festen im Haus der Eltern. Wie nah ihnen dieses Alter war.
Wehmütig dachte er an die Leichtigkeit seiner eigenen Jugend.
Der Gastgeber lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Er stellte sich vor: Nilay oder Nili, wie sie wollten; fragte ihn nach seinem Job und beide tauschten kurz ihre beruflichen Tätigkeiten aus.
Dann wandte Nilay sich an sie. Ob sie Erfahrung in esoterischer Richtung hätte, spirituelle Sitzungen, Tarotkarten legen? Obwohl sie lachend verneinte, dazu sei sie zu bodenständig, fühlte sie sich durch seine Aufmerksamkeit geschmeichelt. Er fragte weiter, ob sie sich die Übernachtungsräume ansehen wollten? Die beiden stimmten der kleinen Führung zu.
Im Wohnraum führte eine steile Wendeltreppe in die Souterrainzimmer. Die Matratze vor der Tür diene als Schalldämmung, der Stereoanlage wegen, falls sie oben noch feiern wollten. Heute würden sie einen bekannten Club, deren Besitzer Nilay kenne, besuchen.
Das Ehepaar lehnte die Clubeinladung dankend ab, sie hätten am nächsten Tag ja vor, sich die Stadt anzusehen. Nahmen die Einladung, die Rotweinflasche zu leeren und sich in den oberen Räumen zu entspannen jedoch beschwingt an.
Hektische Unruhe entstand, das Taxi stehe vor der Tür. Nilay verschwand in den hinteren Räumen, tauchte gleich wieder in einem weißen Hemd auf, suchte seine Jacke. Die falsche wurde ihm gereicht. Proserpina tauschte die Jacken, reichte ihm seine Schuhe. Mit einem Ciao, fühlt euch wohl, wurde es still und das Paar saß allein, in der fremden Wohnung am Esstisch.
„Lässig, uns hier so vertrauensvoll sitzen zu lassen,“ startete er die Konversation.
„Wie eingefahren wir doch in unser kleines quadratisches Leben sind. Sie dir diese bunt schillernde Welt hier an.“
„Lebt nicht jeder in seinem Quadrat?", schoss es ihr durch den Kopf. Hingegen erwiderte sie:"Stimmt, komm lass` uns den Garten ansehen.“
Er öffnete die hohe Fenstertür und sie traten auf eine weite, konkav gewölbte Terrasse.
Vor ihnen erschloss sich die Steinbalustrade und eine Treppe führte in den dunklen Garten. Am Treppenansatz, auf dem Handlauf, saßen rechts und links kleine, schlafende Dämonen.
Sie freuten sich wie Kinder, die in eine Märchenwelt eingedrungen waren.
Sie würden in dieser zauberhaften, alten Jugendstilvilla übernachten.
Leblos, die langen dunklen Haare verbargen das, mit dem Kinn auf dem Brustbein liegende Gesicht. Der Schaft eines Dolches ragte aus ihrem Bauch, als würde er den Körper an den stehenden Holzsarg nageln. Sie wusste, es war ihre Mutter. Der Sargdeckel kappte wie eine Tür zu.
Ein Wimmern in ihrem Traum. Das kleine Mädchen kauerte neben einer offenen Treppe. Es hatte keinen Sinn sich zu verstecken. Sie hörte seine zunehmend unkontrolliert, herrische Stimme.
Wieder dieses kindliche Wimmern: “Ich kann nicht, ich kann das nicht.“
Sie wusste, in seinem Wahn verlangte er irgend eine Absurdität.
Sie hatte Angst vor ihm.
Weibliches Wehklagen. War sie das? Sie war das kleine Mädchen, sie wimmerte nicht, sie weinte nicht. Sie war in Habachtstellung. Ein Zittern durchlief den zum Sprung gespannten Körper. Mit diesem, durch den Leib rieselnden Zittern, öffneten Millionen winzig kleiner Augen ihre Lider. Jede Körperpore ein Augenlid. Und jedes dieser kleinen Äuglein konnte hören. Sie konnte durch Mauern hören.Ihre Ohren schutzlos geräuschempfindlich, an der Schmerzgrenze.
Sie wachte auf. Der Nachtmahr raste noch durch ihr Blut.
Die Stimmen?
Die Stimmen waren da! Meine Güte, sie hatte das befehlende Geschrei des Mannes und das Weinen der Frau über ihr, in ihren Traum eingebaut.
Sie orientierte sich, lag im Doppelbett des Souterrainzimmers an der Innenseite. Ihr Mann schlief außen. Schwer über ihn zu springen oder zu krabbeln. Ein Moment aus Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht ließen zähe Sekunden in eine zeitlose Dimension tropfen.
Ihr Gastgeber und seine Freundin in einem, von ihm dominierten, Streitgespräch. Wenn man das heisere Schreien und weinende Klagen noch Gespräch nennen konnte.
Sie weckte ihn. Er wachte auf. Es war ruhig. Er schlief ein. Sie wachte lauschend. Stille!
Aufmerksame Wachsamkeit begleitete ihren Tag.
Teleskoptentakel, Schwanenhälsen gleich, mit um sich blickenden Augäpfeln wuchsen wendig aus ihrem Körper. Kreisten als Satelliten in ihrer Atmosphäre, behielten die Stratosphäre im Auge.
Sie passierten die intakte, massive Burgmauer. Betrachteten die restaurierte Festung von innen. Waffen aus unterschiedlichen Epochen zur Verteidigung ausgestellt. Düsternis. Zu Fuß bergab, eroberten sie den Altstadtkern. Touristengruppen unterschiedlicher Nationalitäten und Größen mischten sich mit den zielorientierten Kunden der Geschäfte, in der Fußgängerzone. Laut, lebendig, ihr Verteidigungssystem in Alarmbereitschaft. Die Welt rauschte auf sie zu, drohte sie zu überrollen. Immer wieder kehrte sie zu dem Ereignis der Nacht zurück. Versuchte ihr Bild zu vervollständigen. Das junge Mädchen, das den Abend über scheu Fragen beantwortete. Ihre bescheiden wirkende Art auf einmal devote gefärbt. Er, in seiner Überaufmerksamkeit, nicht zuhören könnend, hektisch, getrieben. Wie sie ihm diese Jacke reichte! Wer spielte welche Rolle? Was bedeutete die aufgestellte Matratze vor der Kellertür? Vielleicht die provisorische Dämmung einer Folterkammer? Für wen, sie unten oder die oben?
Hypothesen aus wilden Fantasien und Erinnerungsstücken durchwirkten das entstehende und immer wieder auseinanderfallende Bild. Sie puzzelte.
Ihr Mann sah sie an. Sein Blick perlte, wie ein Wassertropfen, auf einer im Teich schwimmenden Lotospflanze, ab. Er wollte ihre Abwesenheit nicht länger ertragen. Mitten im Menschenstrom blieb er stehen und stellte seine durchdringende Frage, die es schaffte sie aus ihrer Trance zu reißen:
„Wo bist du, was ist los mit dir?“
Jetzt sah sie ihn an, brauchte Zeit. Sie gingen eine Weile weiter, durch abgeschiedene Straßen und Gassen, um die flüchtige Essenz in ihrem Gehirn zu filtern:
„Du musst mir glauben, du musst dich hinter mich stellen. Ich habe einen häuslichen Übergriff miterlebt und wir müssen das klären. Für mich hat sich heute Nacht schon einiges geklärt. Meine Vergangenheit hat sich in die Gegenwart gemischt. Gefährlich! Ich habe eine mir bekannte, zugewiesene Rolle heute Nacht nicht erfüllt. Normalerweise habe oder sollte ich jetzt sagen hatte ich, in solch brissanten Situationen, die Gabe mich in das unsterbliche Supergirl zu verwandeln. Retterin der Unterdrückten. Mein Supergirlanzug ist zu eng geworden, ich bin zu groß. Meine Heldin in der Not ist nun doch gestorben und hat mich mit meiner kindlichen Furcht und Ohnmacht allein gelassen."
Er glaubte ihr.
So trat Bewusstsein in ihre Erfahrung und eine klärende Erkenntnis blieb.
Sie war angekommen.
Es dämmerte. Sie erkannte die Jugendstilvilla hinter der Burg aus der Beschreibung im Internet. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass es sich um ein Mehrparteienhaus handeln könnte. Ihr Wagen stand auf einem Privatparkplatz, zwischen weiteren zum Haus gehörenden Autos.
Neugier und Ängstlichkeit vor dem Unbekannten mischten sich. Sie kannte weder die fremde Stadt, die angepriesene Unterkunft, noch ihren Gastgeber.
Sicher hätte sie ein Hotel gegoogelt, wäre ihr Mann nicht so begeistert gewesen von diesem Anbieter für günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Das von ihr ausgesuchte Hotel in den Bergen mit Wellnessbereich, Frühstücksbuffet und drei Gänge Menü kostete ihn einen zu stolzen Preis. Nur ein Wochenende, zwei Übernachtungen und meine Frau, die Ilsebill, ...
Die von ihr entfachte Gedankenstichelei unter Eheleuten galt es zu unterbinden.
So sah sie sich die Luftmatratzenübernachtungsmöglichkeiten einmal an.
Hausboot in Amsterdam, Landstilhäuschen in England, Ranch in Australien mit Pool.
Aber hier ging es ja nur um ein Wochenende, in einer 2-3 Stunden entfernten Stadt.
Tiefparterre mit Gartenblick in Jugendstilvilla- vielversprechend.
Sich beim Anbieter anzumelden- schwerer als erwartet. Sie verbrachte den ganzen Nachmittag damit Anforderungen zu erfüllen. Der facebook-Account schien dem Anbieter nicht aktuell genug. Das dazugehörige Foto lud er sich jedoch gleich auf seine Seite. Der Provider erhob Anspruch auf die Kreditkartennummer und verlangte eine beglaubigte Personalausweiskopie. Als sie auch noch ein 15 Sekunden langes Video, bei dem sie ein Lied singen und auf der Straßenlinie einen Flic-Flac springen, ins Netz stellen sollte (wie die Szene der Polizeikontrolle, in Steve Martins Film:" Der Mann mit den zwei Gehirnen"), stieg sie aus. Ein flaues Gefühl in der Magengrube und „Big brother is watching you“ im Gedächtnis. Existenzängste. Georg Orwells Geschichte 1984 nahm kein gutes Ende und war längst in der Gegenwart angekommen.
Ade, du kleine, heile Welt.
Sie stellte den Kontakt zum Privatvermieter her. Konnte zwar nicht buchen, schrieb ihm aber, sich gerne für das Wochenende einmieten zu wollen. Leider wäre es nicht möglich durch die Security zu kommen.
Kein Problem, es könne auch in bar bezahlt werden, kam salopp zurück.
Ohne den potentiellen Vermieter zu kennen, hatte sie e-mail Kontakt hergestellt.
Sie schrieb leicht, locker, ihre Tochter würde 18 werden und sie als Eltern müssten für das Wochenende das Haus verlassen. Aus Anreden wie „Hi“ und „Huhu“ wurde sogleich „du“. Wenn sie schon nicht durch die offizielle Sicherheitsmaßnahme rutschte, wollte sie die Reservierung verbindlich wirken lassen. Vielleicht fremd dieser Computerwelt gegenüber aber sonst ehrlich-naiv.
Die Buchung inklusive Reinigungskosten kam nun doch teurer, als das von ihr angestrebte Wellnesshotel am See. Wenngleich ihr Mann Einwand der hohen Übernachtungskosten wegen erhob fuhren sie zusammen in eine beiden fremde Stadt und er stellte den gehetzten Motor aus.
Gemeinsam stiegen sie die Treppenstufen zur Eingangstür hinauf und suchten das Namensschild mit zugehöriger Klingel. Er läutete. Jemand öffnete.
Äußere Erscheinung und Namastegeste ließen auf einen Inder schließen. Anfang dreißig. In Jeans und olivgrünem T-Shirt, bat er das erschöpfte Paar einzutreten.
Im Treppenhaus stand ein Rennrad an die Wand gelehnt. Es fiel ihm angenehm auf, er fuhr auch Rad.
Die drei traten über einen kleinen Vorraum in die großzügige Küche. Ein Arbeitsblock in der Mitte. Dahinter ein Tisch besetzt mit einem Mann und zwei Frauen, grade etwas älter als ihre Tochter.
Zwei weitere Stühle wurden herangezogen. Ein weiß, grün gestreiftes Louis Quatorze Sesselchen zum Platznehmen, über den dunkelroten Perserteppich gehoben, für sie.
Zeit, ihren Blick schweifen zu lassen:
Indirektes Licht, rauchgeschwängerte Luft. In einer spindeldürren, meterhohen Yuccapalme steckten Räucherstäbchen. Daneben eine halb in die Wand integrierte graue Säule. Fenster bis zur Altbaudecke, gerahmt von ebenso hohen Heizkörpern, deren Regulatoren für sie nicht zu erreichen wären. Bestenfalls unter höchstmöglicher Streckung, auf einem Stuhl stehend, ging es ihr durch den Kopf.
Dunkler Parkettboden auf dem eine rotorange, fein geknüpfte, mit dunkelblauen Quadraten versehene, persische Brücke lag. Diese führte zum weinrot, wieder ornamental gehaltenen, größeren Teppich. Auf ihm, der antik, barocke Tisch mit seinen, leicht nach außen geschwungenen Beinen.
Die einst mit Schellack überzogenen, abgewetzte Tischplatte bedeckt mit allerlei Gläsern, Orangensaft, Wodka, Tabak und einem vollen Aschenbecher. Stilleben der Jugend.
Die junge Frau ihr gegenüber schüchtern, gerötete Wangen. Einige hellbraune, fast rötliche Locken entkamen dem gewundenen Koten ihrer Haare und umsäumten das ovale Gesicht.
Wie sanft dieses Mädchen schien, zurückhaltend. Rossettis Proserpina.
Der Gastgeber gab dem Mädchen einen väterlichen Kuss auf die Stirn.
Wie irritierend.
Sie wurden gefragt, ob sie gerne rauchen würden? Wohlig drehte sich ihr Mann eine Zigarette. Wie lange hatte er schon nicht mehr in einer Wohnung geraucht!
Ob sie Rotwein aus Italien trinken wollten, als einladende Frage gestellt. Der behände Gastgeber stellte einen zarten Kristallkelch vor sie und schenkte ein. Wie aufmerksam.
So ließ es sich entspannen.
Ihr Mann nahm mit einem einfachen Colaglas, Edition "Riesenfastfoodkette", vorlieb.
Sein Stuhl, instabil bei Bewegung, die Verleimung löste sich, sah bequemer aus, als er war.
Er blickte sich um:
Aus den Bluetoothboxen drang eine experimentelle Mischung aus Oberton und Walgesängen. Es handelte sich wohl um die Musik eines esoterischen youtube channel, wie auf dem Bildschirm des Macbooks zu erkennen war.
Was für ein exzentrischer popart Druck, im Stile Andy Warhols. Ein blonder Frauenkopf, seitlich gesehen in Comicart bunt gedruckt. Aus dem Mund schlängelte sich eine Zunge. Frech, obszön und mitten über der Küche angebracht.
Zu seiner Linken sonnenüberflutete, griechische Landschaftsbilder, in Öl. Große Leinwände mit hübschen Farben. Er mochte das satte, seine Nuancen wechselnde Blau des Himmels, des Wassers, selbst der Fensterläden. Weiße Häuser, ab und zu eine Kuppel. So friedlich.
Es klingelte an der Haustür. Der Gastgeber jonglierte einen Karton Riesenpizza an den Tisch.
Perfekte Konditionierung, er war hungrig und bekam das erste Stück angeboten.
Cool! Dieses bunte Gemisch aus Popart, naiver Malerei und tausend und einer Nacht gefiel ihm. Was für lockere Konventionen.
Sein Leben kam ihm eintönig, fast spießig vor.
Wie er brav von Montag bis Freitag in die Arbeit ging. Abends auf der Couch saß, fern sah.
Seine Frau erzählte gerade über den Grund ihres Wochenendausfluges. Sturmfrei für die Tochter, die ihren 18ten Geburtstag gebührend feiern wollte.
Wie enthusiastisch die jungen Leute sich an der Unterhaltung beteiligten. Feurig berichteten sie von ihren Erfahrungen mit Festen im Haus der Eltern. Wie nah ihnen dieses Alter war.
Wehmütig dachte er an die Leichtigkeit seiner eigenen Jugend.
Der Gastgeber lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Er stellte sich vor: Nilay oder Nili, wie sie wollten; fragte ihn nach seinem Job und beide tauschten kurz ihre beruflichen Tätigkeiten aus.
Dann wandte Nilay sich an sie. Ob sie Erfahrung in esoterischer Richtung hätte, spirituelle Sitzungen, Tarotkarten legen? Obwohl sie lachend verneinte, dazu sei sie zu bodenständig, fühlte sie sich durch seine Aufmerksamkeit geschmeichelt. Er fragte weiter, ob sie sich die Übernachtungsräume ansehen wollten? Die beiden stimmten der kleinen Führung zu.
Im Wohnraum führte eine steile Wendeltreppe in die Souterrainzimmer. Die Matratze vor der Tür diene als Schalldämmung, der Stereoanlage wegen, falls sie oben noch feiern wollten. Heute würden sie einen bekannten Club, deren Besitzer Nilay kenne, besuchen.
Das Ehepaar lehnte die Clubeinladung dankend ab, sie hätten am nächsten Tag ja vor, sich die Stadt anzusehen. Nahmen die Einladung, die Rotweinflasche zu leeren und sich in den oberen Räumen zu entspannen jedoch beschwingt an.
Hektische Unruhe entstand, das Taxi stehe vor der Tür. Nilay verschwand in den hinteren Räumen, tauchte gleich wieder in einem weißen Hemd auf, suchte seine Jacke. Die falsche wurde ihm gereicht. Proserpina tauschte die Jacken, reichte ihm seine Schuhe. Mit einem Ciao, fühlt euch wohl, wurde es still und das Paar saß allein, in der fremden Wohnung am Esstisch.
„Lässig, uns hier so vertrauensvoll sitzen zu lassen,“ startete er die Konversation.
„Wie eingefahren wir doch in unser kleines quadratisches Leben sind. Sie dir diese bunt schillernde Welt hier an.“
„Lebt nicht jeder in seinem Quadrat?", schoss es ihr durch den Kopf. Hingegen erwiderte sie:"Stimmt, komm lass` uns den Garten ansehen.“
Er öffnete die hohe Fenstertür und sie traten auf eine weite, konkav gewölbte Terrasse.
Vor ihnen erschloss sich die Steinbalustrade und eine Treppe führte in den dunklen Garten. Am Treppenansatz, auf dem Handlauf, saßen rechts und links kleine, schlafende Dämonen.
Sie freuten sich wie Kinder, die in eine Märchenwelt eingedrungen waren.
Sie würden in dieser zauberhaften, alten Jugendstilvilla übernachten.
Leblos, die langen dunklen Haare verbargen das, mit dem Kinn auf dem Brustbein liegende Gesicht. Der Schaft eines Dolches ragte aus ihrem Bauch, als würde er den Körper an den stehenden Holzsarg nageln. Sie wusste, es war ihre Mutter. Der Sargdeckel kappte wie eine Tür zu.
Ein Wimmern in ihrem Traum. Das kleine Mädchen kauerte neben einer offenen Treppe. Es hatte keinen Sinn sich zu verstecken. Sie hörte seine zunehmend unkontrolliert, herrische Stimme.
Wieder dieses kindliche Wimmern: “Ich kann nicht, ich kann das nicht.“
Sie wusste, in seinem Wahn verlangte er irgend eine Absurdität.
Sie hatte Angst vor ihm.
Weibliches Wehklagen. War sie das? Sie war das kleine Mädchen, sie wimmerte nicht, sie weinte nicht. Sie war in Habachtstellung. Ein Zittern durchlief den zum Sprung gespannten Körper. Mit diesem, durch den Leib rieselnden Zittern, öffneten Millionen winzig kleiner Augen ihre Lider. Jede Körperpore ein Augenlid. Und jedes dieser kleinen Äuglein konnte hören. Sie konnte durch Mauern hören.Ihre Ohren schutzlos geräuschempfindlich, an der Schmerzgrenze.
Sie wachte auf. Der Nachtmahr raste noch durch ihr Blut.
Die Stimmen?
Die Stimmen waren da! Meine Güte, sie hatte das befehlende Geschrei des Mannes und das Weinen der Frau über ihr, in ihren Traum eingebaut.
Sie orientierte sich, lag im Doppelbett des Souterrainzimmers an der Innenseite. Ihr Mann schlief außen. Schwer über ihn zu springen oder zu krabbeln. Ein Moment aus Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht ließen zähe Sekunden in eine zeitlose Dimension tropfen.
Ihr Gastgeber und seine Freundin in einem, von ihm dominierten, Streitgespräch. Wenn man das heisere Schreien und weinende Klagen noch Gespräch nennen konnte.
Sie weckte ihn. Er wachte auf. Es war ruhig. Er schlief ein. Sie wachte lauschend. Stille!
Aufmerksame Wachsamkeit begleitete ihren Tag.
Teleskoptentakel, Schwanenhälsen gleich, mit um sich blickenden Augäpfeln wuchsen wendig aus ihrem Körper. Kreisten als Satelliten in ihrer Atmosphäre, behielten die Stratosphäre im Auge.
Sie passierten die intakte, massive Burgmauer. Betrachteten die restaurierte Festung von innen. Waffen aus unterschiedlichen Epochen zur Verteidigung ausgestellt. Düsternis. Zu Fuß bergab, eroberten sie den Altstadtkern. Touristengruppen unterschiedlicher Nationalitäten und Größen mischten sich mit den zielorientierten Kunden der Geschäfte, in der Fußgängerzone. Laut, lebendig, ihr Verteidigungssystem in Alarmbereitschaft. Die Welt rauschte auf sie zu, drohte sie zu überrollen. Immer wieder kehrte sie zu dem Ereignis der Nacht zurück. Versuchte ihr Bild zu vervollständigen. Das junge Mädchen, das den Abend über scheu Fragen beantwortete. Ihre bescheiden wirkende Art auf einmal devote gefärbt. Er, in seiner Überaufmerksamkeit, nicht zuhören könnend, hektisch, getrieben. Wie sie ihm diese Jacke reichte! Wer spielte welche Rolle? Was bedeutete die aufgestellte Matratze vor der Kellertür? Vielleicht die provisorische Dämmung einer Folterkammer? Für wen, sie unten oder die oben?
Hypothesen aus wilden Fantasien und Erinnerungsstücken durchwirkten das entstehende und immer wieder auseinanderfallende Bild. Sie puzzelte.
Ihr Mann sah sie an. Sein Blick perlte, wie ein Wassertropfen, auf einer im Teich schwimmenden Lotospflanze, ab. Er wollte ihre Abwesenheit nicht länger ertragen. Mitten im Menschenstrom blieb er stehen und stellte seine durchdringende Frage, die es schaffte sie aus ihrer Trance zu reißen:
„Wo bist du, was ist los mit dir?“
Jetzt sah sie ihn an, brauchte Zeit. Sie gingen eine Weile weiter, durch abgeschiedene Straßen und Gassen, um die flüchtige Essenz in ihrem Gehirn zu filtern:
„Du musst mir glauben, du musst dich hinter mich stellen. Ich habe einen häuslichen Übergriff miterlebt und wir müssen das klären. Für mich hat sich heute Nacht schon einiges geklärt. Meine Vergangenheit hat sich in die Gegenwart gemischt. Gefährlich! Ich habe eine mir bekannte, zugewiesene Rolle heute Nacht nicht erfüllt. Normalerweise habe oder sollte ich jetzt sagen hatte ich, in solch brissanten Situationen, die Gabe mich in das unsterbliche Supergirl zu verwandeln. Retterin der Unterdrückten. Mein Supergirlanzug ist zu eng geworden, ich bin zu groß. Meine Heldin in der Not ist nun doch gestorben und hat mich mit meiner kindlichen Furcht und Ohnmacht allein gelassen."
Er glaubte ihr.
So trat Bewusstsein in ihre Erfahrung und eine klärende Erkenntnis blieb.
Sie war angekommen.
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Freitag, 26. September 2014
Schaugd scho guad aus
Am Freitag, 26. Sep 2014 im Topic 'Memorabilien'
Ich liebe es, dieses Herumbaierln. Am Liebsten mit meinem Mann, dann klingts bsondas schiach und mir ham an Mordsspaß dabei.
Im Chiemgau, also Oberbayern, trau` ich mich natürlich nicht Mundart zu sprechen. Stolpere ich sogleich über einfache Worte, wie: Nase. Soll ich da Nosn oder Na(leicht nasales "a")sn sagen ? Der Ureinwohner würde sich vielleicht nicht ernst genommen fühlen und mir eine auf d' Nosn gebn.
Da lasse ich es lieber sein und falle in ein klares, unabsichtlich leicht hochnäsig klingendes Hochdeutsch.
Was soll ich tun? Immer wieder Zerissenheit. Als Kind in einem kleinen bayrischen Weiler namens „Hetzenbichl“(Hätznbichi) aufgewachsen, des hetzenbichlerischen Bairischs mächtig, zumindest versteh` ich’s. Sprechen tolerierte die preußische Großmutter väterlicherseits nicht. Bei Worten wie "Wurscht" oder "Durscht" bekam ich ihren Ellbogen in den Rippen zu spüren. Einen Knuff. Schnell wurde aus "Wurscht" Wurst, das geliebte „Gutti“ zum Bonbon und Weißkäse gab es in Hätznbichi nicht.
So unter uns, mit meinem Mann bayerl ich gern rum.
Ach, jetzt bin ich vom Thema abgekommen. Dieses schöne, halbe Hähnchen, extra für Sie aufgenommen, wollte ich Ihnen zeigen.
Da ham ma uns dann scho a bissal gschtrittn.
Mei' Mo hot g'moant, des mit der Bioabsolution auf da Wies'n kö' ma uns spar'n.
Und hams`S den Skandal vom letzten Jahr mitbekommen? Bio! Für so vui Hendl, hatts ned g`reicht.
Seit der letzten Wies`n bin ich Vegetarierin, ob aus moralischen oder finanziellen Gründen lassen wir mal dahingestellt sein.
Pfiat di, du salzig, rösches halbes Hendl, du kloans Gigerl. I' werd' di' nur no' o'schaugn.
Gibt's hoid an Schmarrn.
Bussi und vui Spaß auf 'm Oktoberfest.
Im Chiemgau, also Oberbayern, trau` ich mich natürlich nicht Mundart zu sprechen. Stolpere ich sogleich über einfache Worte, wie: Nase. Soll ich da Nosn oder Na(leicht nasales "a")sn sagen ? Der Ureinwohner würde sich vielleicht nicht ernst genommen fühlen und mir eine auf d' Nosn gebn.
Da lasse ich es lieber sein und falle in ein klares, unabsichtlich leicht hochnäsig klingendes Hochdeutsch.
Was soll ich tun? Immer wieder Zerissenheit. Als Kind in einem kleinen bayrischen Weiler namens „Hetzenbichl“(Hätznbichi) aufgewachsen, des hetzenbichlerischen Bairischs mächtig, zumindest versteh` ich’s. Sprechen tolerierte die preußische Großmutter väterlicherseits nicht. Bei Worten wie "Wurscht" oder "Durscht" bekam ich ihren Ellbogen in den Rippen zu spüren. Einen Knuff. Schnell wurde aus "Wurscht" Wurst, das geliebte „Gutti“ zum Bonbon und Weißkäse gab es in Hätznbichi nicht.
So unter uns, mit meinem Mann bayerl ich gern rum.
Ach, jetzt bin ich vom Thema abgekommen. Dieses schöne, halbe Hähnchen, extra für Sie aufgenommen, wollte ich Ihnen zeigen.
Da ham ma uns dann scho a bissal gschtrittn.
Mei' Mo hot g'moant, des mit der Bioabsolution auf da Wies'n kö' ma uns spar'n.
Und hams`S den Skandal vom letzten Jahr mitbekommen? Bio! Für so vui Hendl, hatts ned g`reicht.
Seit der letzten Wies`n bin ich Vegetarierin, ob aus moralischen oder finanziellen Gründen lassen wir mal dahingestellt sein.
Pfiat di, du salzig, rösches halbes Hendl, du kloans Gigerl. I' werd' di' nur no' o'schaugn.
Gibt's hoid an Schmarrn.
Bussi und vui Spaß auf 'm Oktoberfest.
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