Freitag, 11. Oktober 2019
Upside down
Tochter: „Hast Du das Buch schon angefangen?“
Mutter:
„Habe es schon durchgelesen. Sehr witzig, also das Witzige an diesem Buch ist diese Spiegelung, in der ich, meine Mutter, mich und auch Dich wiederfinde. Extrem gelungen.
Sonst macht das Buch nachdenklich und traurig.
Zum Beispiel, warte, mir fällt das Wort gleich wieder ein.
Ahja, die Brücke ist, Strumpfhose und Graben: Thigh Gap!
Ich wusste nicht, dass es dafür ein Wort gibt, es ist tatsächlich so, ein thigh gap hätte ich gerne gehabt. Unsere Oberschenkel sind einfach kräftiger. Wie schön wäre es gewesen, sie hätten sich nicht berührt. Schmale Oberschenkel. Ich erinnere so gut, an dieses Schönheits-Ideal. Aber ich dachte, es käme von mir heraus, nur ich hätte es. Oder, ich wusste, bis zu diesem Buch nicht, das der Heroin- Look, oder Heroin-Chic, Mitte der 90ger Jahre, ein geltendes Schönheitsideal war. Aber ich weiß, wie ich meine Wangen einzog und die Hohlräume dunkel schattierte, um Pausbacken zu kaschieren. Und meine Äußerung, ich mag androgyn, gleicht einem Werbesogan. Ist ein Werbeslogan!
Klar, wir wollten alle cool und fertig sein.
Nun ja, wenn ich meine Mutter ansehe, jetzt eine rundliche, gesunde Frau, die gerne isst.
In meiner Kindheit, lag sie, in einer engen, knallblauen “Saitinhose“ auf dem Boden und ich half ihr, den Reißverschluss zu zumachen. Mit ihrer Röhrenjeans, legte sie sich in die Badewanne, damit diese besser saß.
Unsere Basis-Lebensmittel bestanden aus “Überkinger“, “Becel-Magerine“ und Knäckebrot. Du kennst diese kleinen Anekdoten aus meiner Kindheit.
Noch eine kleine Geschichte: Als meinem Bruder und ich, in Südamerika, am Strand lagen, wollte dieser, dass ich mich von ihm weg legte, damit die „Mädels“ nicht dachten, er sei mit „einer Fettel“ zusammen. Ja, ich verstand ihn.
Und bei euch, der nächsten Generation geht es weiter. Wie oft, sitzen wir am Familientisch, mit Zucchinispaghetti und vegetarischer Bolognese und überlegen, wie wir schlankheits-bewusster Leben und abnehmen könnten?
Da ist nicht mehr das Individuum wertvoll in seiner Einzigartigkeit, da geht es darum, uns alle einem absurden Schöhnheitswahn zu unterwerfen. Hält uns das Denken an Äußerlichkeiten dumm? Werden wir, manipuliert wie wir sind, von den wichtigen Fragen im Leben abgehalten, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden? Immerhin bringt eine Schönheitsoperation mehr Gewinn, als eine Geburt, die Versorgung eines\r Palliativpatienten\in, eines alten Menschen u.s.w.
Erschreckend, zu sehen, wie Werbebilder sich in unserem Denken zu Wertebildern manifestieren.

Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist das schönste “Verreggerl“ im ganzen Land.
Machen wir aus hässlich schön und aus schön hässlich?“
Tochter:
„Wie die Ledermäuse bei Walter Moers: „Oben ist unten und hässlich ist schön!“

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Samstag, 5. Oktober 2019
SCHLAFMÜTZE
Wie aus dem Nichts, komme ich mit meinen beiden Töchtern im Vestibül des Hotels an. Wahrscheinlich sind wir geflogen.
Ein Urlaub, in einem Resort, für uns etwas völlig Neues.
Hier haben die Farben ihre Leuchtkraft verloren. Über jedem Ding liegt ein grauer Schleier.
Auch Licht und Schatten, aneinandergeschmiegt, detailverliebt in ihrem fein abgestimmten Paartanz, unterwerfen sich diesem grauen Mischmasch.
Die Erinnerung tut sich schwer, in Punkto Präzision.
Menschen, ob mir nah oder fern, schwer zu greifen, als könnte ich durch sie hindurch langen. Vielleicht sogar hindurch gehen. Geisterwelt.
Nichts, an dem ich mich reiben oder stoßen kann. Hier ist alles möglich, oder auch nicht. Fliegend leicht, klebrig schwer.
Unwirklich, faszinierend.
Meine Augen, kann ich, einer telepathisch gelenkten Drohne gleich, aussenden. Visuell excarniert wird die Gegend überblickt. Ich fliege!
So sind wir hier, an einem Strand, nahe am Meer. Das Seeufer, in akkurat angelegte Salinen unterteilt. Oder ein Hafen für Wirtschaftstanker. Auf jeden Fall, eine riesige Anlage, wie mir meine “Drohnenaugen“ übermitteln.

Ich bitte, einen Mitarbeiter im Foyer, um Einarbeitung, im Umgang mit der einheimischen Bevölkerung.
Dieser ist jedoch beschäftigt, weitere Gäste zu empfangen.
Rasch füllt sich die, immer enger werdende, Empfangshalle.
Die beiden Töchter verflüchtigen sich. Sie erkunden die Umgebung.
Der Hotelangestellte spricht ein paar Willkommensgrüße, ich denke an Blumenketten.
Jetzt redet er mich persönlich an:
“ Aufgrund des Wunsches von lalol, brechen wir die Wände auf.“
Scham überkommt mich.
Hier, von der Eingangshalle aus, geben bis zum Boden reichende Fenster, den Blick auf eine Mauer frei. Eine Strandmauer, die aussieht, wie eine Stadtmauer. Das offene Tor, setzt ein, wildes, türkisblaues Meer frei. Pastellfarbene Häuser lugen um die Ecke, zur anderen Seite.
Kleine, plumpe Wesen, versuchen ein Schild in den Sand zu stecken.
„Bitte keine…“ weiter kann ich nicht lesen. Vermute aber, es soll heißen: „ Bitte keine Kirche aufstellen.“
Ich zoome mir die kleinen Wesen näher heran. Blasse, fast schon bläulich schimmernde Haut. Wulstige Knochen unter den Augenbrauen. Grobknochiger, quadratischer Körperbau.
Die Stimme des Mitarbeiters zieht, meinen in die Ferne schweifenden Blick, wieder in den Vorraum.
„Begegnen Sie Einheimischen niemals allein. Sie sind nicht gefährlich, jedoch für Überraschungen bekannt. Könnten Sie entführen und Unfug mit Ihnen anstellen."
Mit diesen, letzten Worten, werde ich mir selbst überlassen und trete hinaus, auf den Strand.
Die kleinere Tochter kommt, von rechts, auf mich zu. Die fremden Wesen, sind ihr unheimlich. Beruhigend rede ich auf das Kind ein:“ Die sind verkleidet, alles vom Hotel inszeniert.“
In diesem Moment erreicht uns, meine größere, von links kommende Tochter.
Aufgebracht, übermittelt sie uns eloquent, ihre Beobachtung, über die sozio-ökonomische Ungleichheit, in diesem Urlaubsparadies.
Träumend, stelle ich mir die Frage, wie wir unsere Urlaubstage am besten verbringen?
Werde wach.
Die wichtigsten Angelegenheiten des Menschen werden verschlafen!

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Montag, 29. Juli 2019
Reduzierte Soße – hausgemacht
Ich hasse Einkaufen in der Rushhour. Mit mäh..(= unser Kind in der Pubertät) und wäh..(= unser Kind in der Trotzphase) an der Seite ein wahrer Spießrutenlauf.
In deiner Kantine gibt’s heute nur Salatbar, also läuft das gute Frauchen nach ihrer Arbeit in den Supermarkt und besorgt einen Braten. Wird mein Zeitmanagement sprengen.
Apropos Arbeit: ein irrsinniges Kräftesaugen. Verantwortung tragen, ja klar, nur her damit –
da kann ich nicht nein sagen. Das Bild eines Lastesels steigt in mir auf.
Jetzt trag ich erst mal den Einkauf zum Auto, verschiffe die Kinder zu meinen Eltern, kümmere mich ums Abendessen.
Lass Handy, Handy sein. Sicher die Arbeit, wenn ich’s nicht ausmache, bedeutet das Dauerbereitschaft. Ohne mich geht’s halt nicht. Gute Kollegin – Schulterklopf – na, das alte System, hat mich fest im Griff.
Shit.. Zutaten für die Soße vergessen. So nehme ich, gezwungener Maßen, ein Päckchen aus dem schwedischen Einkaufhaus. Für knappe Zeiten gedacht.
Bin jetzt schon am Ende. Und heute Abend noch Tango. Muss sein, wir arbeiten an unserer Paardynamik.
Dein Schlüssel dreht sich im Schloss.
Du wirst den Mantel an deinen Haken hängen, die Schuhe wechseln, zum Kühlschrank gehen, ein Bier holen.
Ich kenn dich gut. Wir tauschen einen Blick, ohne Worte. Mein Einsatz: “ Hi mein Schatz, erst mal abschalten, eine rauchen, ich weiß.“ Gut eingespieltes Team.
Oh, oh.. du lässt deinen Blick durch die Küche schweifen. Er bleibt auf dem Braten im Schnellkochtopf hängen. Bitte, sag jetzt nichts...
Ich schlage einen Salto rückwärts. Spanne den weiten Bogen in die Vergangenheit. Unser erstes gemeinsames Abendessen. Selbstgemachte Nudeln. Du hast den Teig vorbereitet. Basilikum in der scharfen Tomatensoße. Ich mag Chili. Deine Soße, eine meditative Reise in die Welt der Sinne. Kulinarische Verführung auf höchstem Niveau. Mein Rotwein passt perfekt. Genuss pur. Ich erinnere mich, wie mir das Wort Backentaschenorgasmus aus dem Mund schlüpft und du mich neugierig, erstaunt ansiehst. Dieser Blick, meine Güte, ich war doch eh schon Hals über Kopf in dich verliebt.
Aber jetzt knallen Dimensionen aufeinander.
Ich sag noch:“ Marilyn Monroe wollte mal ein Hühnchen mit dem Föhn auftauen.“
„Und hat sie es geschafft?“ Ich hasse diesen süffisant, schneidenden Ton in deiner Stimme.
Natürlich musst du das Päckchen Bratensoße in die Hand nehmen, um es angewidert wegzulegen. „Ich hätt` wohl`n Hühnchen mitbringen soll`n. Mach das nächste Mal dein Handy an.“
Hantierst am Kochtopf rum. Murmelst,“ blöde Zeitmaschine.“
Hilfe(innerlicher Aufschrei)! Mein Aggregatzustand verändert sich. Die Augen lassen Funken sprühen. Rauch dringt aus meinen Ohren, die Mundhöhle bereitet sich vor, den in mir, rasend schnell wachsendem Drachen Platz zu machen, denn dieser reißt sich gerade von seiner Leine los und spuckt Feuer: “ Raus aus der Küche, das mit dem Kochtopf mach ich selbst!“
Den Rest der Geschichte kennen Sie.
Bleibt noch die Frage offen: Wie zart wurde das Fleisch? ;)

casalinga

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Los Froggos
Musiker mit Sombreros, tänzeln sich, in dieser Filmszene, vor der typisch amerikanisch, pittoresk erscheinenden Hintergrundkulisse ein.
Wüstenberge in orangegelbes Licht, der untergehenden Abendsonne, getaucht.
Könnte der Malerin Georgia O`Keeffe entliehen sein. Mit Rinderschädel im Bild herumliegend.
O`Keffee`s Ausstellungstermin entnimmt der/die kulturbewusste Münchner/in der hiesigen Regionalzeitung. Sowie er/sie überwiegend sein/ ihr Paperlapap auf dieses Medium stützt. Wieso das Gehirn unnütz mit globalen Hintergründen füttern, wo Informationen zuhauf über den Rand purzeln. Gähn! Verweilen sei Fabelwesen, Urgesteinen, Dinosauriern oder Korinthenkackern vorbehalten.
Los Froggos stehen sich, in der Warteschleife, die Füße in den Bauch. Ihre Stimmen flöten leise, trucking...trucking... trucking, um heiseres Gequake zu vermeiden.
Und es ist nicht die weiche Abendsonne , sondern die Morgenröte nötig, um den Tag in den Kasten zu bringen.
Der Truck, eine Diva auf dem Highway, hat lange genug auf sich warten lassen. Dicke gewichtige Dame.
Endlich ein kleiner, flimmernder Punkt auf der Geraden.
Katerchen, mitten auf der Straße platziert, begutachtet seine manikürten Krallen:
„Uhh, die Elegance meiner weichen rosa Pfotenballen wird dahin sein, sobald isch sie in den warmen Asphalt spreize. Aaa ... isch `ätte auf Knetmasse bestehen sollen. Lieber doppelter Boden als ein widerlich klebriger, nur mit Aceton löslicher. Merde!
Ohlala, seit isch mir als Kind warmen Teer in den Bauchnabel schmierte, ist er meine empfindliche Stelle. Nichts prickelt mehr ... nun gut, lassen wir den Truck anrollen.“
Ein Blick mit dem Fernglas lässt die billige Besetzung des Fahrers erkennen.
Geschlecht unbestimmt, aber eindeutig ein Googlemoogle.
Nicht zu verwechseln mit Googelmoogel, einem Ei mit einer Krawatte um den Hals. Begnadeter Dichter. Nichts macht seinen Kopf gewichtiger.
Googlemoogle das Spiegelbild. Ein mit heißer Luft aufgeblasener Ballon. Ausgestattet mit einem Cerebellum externa. Idealbesetzung, die über den Kater hinwegrollt. Der dünnhäutige Ballon wird in einer Welt, die aus Ecken und Kanten besteht, seinen Platz nicht verlassen. Ein Sesselpupser!
Katerchen reckt sich, streckt sich, stellt wie in einem Comic seine Haare zu Berge, arretiert die Vorderpfoten in den warmen Asphalt und senkt träge die Augenlider.
Der Truck, rollt, ohne ihm ein Haar zu krümmen, über ihn hinweg.
Stunts macht er lässig ... immer selbst.
Durch das Fernglas ist auf der Rückseite des Trucks zu lesen:
„Eiliger Schmerzmitteltransport“

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