Montag, 18. April 2016
Alles fängt als Kugel an
Die leuchtende Zeitdiagonale zerschneidet den schwarzen Raum des Koordinatensystems symmetrisch.
Zeitlose, aneinandergereihte Ichpunkte.
Ich löse einen Punk aus der Geraden und eine schwerelose Kristallkugel schwebt auf meiner rechten Hand. Mit der linken greife ich durch eine Nebelwand in den Hohlkörper.
Mein Organismus wird in das Innere der Kugel gesaugt, die Größenverhältnisse gleichen sich an.
Eine Wirklichkeit schneidet die andere, zwei Kreise bilden eine Schnittmenge.
Der Nabel der Welt hat sich gebildet.
Die neue Welt füllt sich.
Häuserreihen an den gekrümmten Rand geschmiegt. Verzerrt, verschwommen und aufgrund des Nebels unklar. Bekannt und doch unbekannt. Schon einmal dagewesen und doch nicht.
Aus dem Ich bildet sich ein Du.
Der Dritte nähert sich.
Die Statur hat sich minimal verändert. Etwas zarter, ein wenig größer. Der Körper von seinem Gewicht befreit.
Du erkennst ihn und sprichst ihn an:
„Du hast mich nie als Frau gesehen.“
Er kennt dich und du gehst mit ihm.
Ohne Worte zeigt er dir seine Arbeitsstelle, ein Theater. Das passt zu ihm.
Du möchtest die Aufführung sehen.
Er führt dich die Treppe hinunter und geht.
Er hat dir keinen Platz im Publikum zugewiesen. Du bist im Orchesterraum allein.
Das Stück auf der Bühne die Generalaufführung eines... Marionettentheaters.
Du siehst es dir an. Am Ende gehst Du über den Notausgang hinaus.
Du wirst zum Ich.
Auf der Wiese liegen sorgsam ausgebreitet ein Kleid mit Hut. Dazugehörige Schuhe mit Absatz. Weiße Handschuhen und eine Handtasche.
Der Dritte, der dich kennt, hat es für mich bereitet.
Aus einem Traum ist Sie entstanden.

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Donnerstag, 10. März 2016
hOMmAge
Anna hat mich geweckt und so bin ich nicht gänzlich überrascht, als Karla die Tür aufmacht und zu mir tritt.
Sie hat das Spielbrett schon in ihren Händen.
„Wie geht es den Kindern? Geht es Nadja in der Schule gut? Ist Sofia noch mit Konstantin zusammen?
Der Johannes und die Katharina gehen jetzt beide nach Rosenheim auf das Gymnasium. Und der Johannes geht seit Schulanfang in den Plattelverein.“
Ob die Enkelkinder noch Kontakt haben, wenn ich nicht mehr da bin? Ich hab sie alle aufwachsen sehen. Jetzt haben sie ihre eigenen Kinder.
„Fünf Urenkel habe ich, der kleinste ist Lukas.
Du warst ein solcher Zornesbinkel, Karla. Einen roten Kopf hattest du vom Schreien, als du in den Laufstall musstest. So ein Dickschädel. Wir haben dich dann zum Heuen mitgenommen. Dein Kinderwagen stand hinten im Heuwagen.
Du warst lang bei uns.
Mit einem blauen Auge kam die Anna zu uns. Sie ist immer wieder zurückgegangen.
Aber du warst bei uns und hast Hennadreck gegessen.
Komm Karla, gib mir das Tablett, dann können wir auf dem Bett spielen.“
Karla beugt sich zu mir, küsst mich sanft auf beide Wangen und ich streiche ihr das helle, blonde Haar aus der Stirn.
„Ich lieg gut, stell das Spielbrett ab.“
Durstig bin ich nicht, aber ich trinke ein paar Schluck aus dem Glas, das sie mir reicht.
„Jetzt ist aber genug, lass uns spielen. Gib mir meine Brille. Nein, die Hörgeräte brauche ich nicht. Ich sehe die Würfel ja. Bei der Vier und der Sechs hilfst du mir.“
Als Anna ein Kind war, gab es keine Zeit zum Spielen. Ich lernte ihren Vater im Krieg kennen. Er kam aus Nürnberg, hatte dort eine Frau. Wie traurig seine Augen aussahen. Er war sehr allein. Ich konnte ihm nur ein wenig Wärme schenken, bis der Krieg in wieder zu sich nahm und nicht mehr losließ. Armer Karl.
Dann mussten wir weg. Das schöne kleine Haus verlassen. Die Anna konnte gerade laufen und ich war jung und stark. Ich war auch stärker als mein späterer Mann. Ich konnte viel tragen. Wille macht stark und ich wollte Bäuerin werden, nie wieder hungern. Der Krieg, was für eine Zeit.
Ich schieb die Vergangenheit weg und bin da. In der Gegenwart.
„Nicht dass du mir gewinnst Karla. Du stehst vor deinem Häuschen. Aber mit einer Zwei kommst du nicht rein, du brauchst eine Eins.
Das nächste Spiel gewinne ich. Jetzt bin ich müde. Grüß den Andreas und die Kinder von mir. Bring sie das nächste Mal mit und wir spielen „Mensch ärgere dich nicht“.
Nicht weinen!“

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Samstag, 30. Januar 2016
So muss ich ablassen von meinem Wesen
da meine Bestimmung eine Andere ist

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