Dienstag, 28. Oktober 2014
Jugendstil
Sie war angekommen. Stellte den gehetzten Motor aus, lehnte sich zurück und spürte den Kontakt zwischen Hinterkopf und Kopfstütze. Die Anspannung der schnellen Fahrt auf der Autobahn entwich dem Körper beim Ausatmen, wie ein, mit dem Windhauch weiterziehendes, flatterndes Stück transparenter Stoff.
Es dämmerte. Sie erkannte die Jugendstilvilla hinter der Burg aus der Beschreibung im Internet. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass es sich um ein Mehrparteienhaus handeln könnte. Ihr Wagen stand auf einem Privatparkplatz, zwischen weiteren zum Haus gehörenden Autos.
Neugier und Ängstlichkeit vor dem Unbekannten mischten sich. Sie kannte weder die fremde Stadt, die angepriesene Unterkunft, noch ihren Gastgeber.
Sicher hätte sie ein Hotel gegoogelt, wäre ihr Mann nicht so begeistert gewesen von diesem Anbieter für günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Das von ihr ausgesuchte Hotel in den Bergen mit Wellnessbereich, Frühstücksbuffet und drei Gänge Menü kostete ihn einen zu stolzen Preis. Nur ein Wochenende, zwei Übernachtungen und meine Frau, die Ilsebill, ...
Die von ihr entfachte Gedankenstichelei unter Eheleuten galt es zu unterbinden.
So sah sie sich die Luftmatratzenübernachtungsmöglichkeiten einmal an.
Hausboot in Amsterdam, Landstilhäuschen in England, Ranch in Australien mit Pool.
Aber hier ging es ja nur um ein Wochenende, in einer 2-3 Stunden entfernten Stadt.
Tiefparterre mit Gartenblick in Jugendstilvilla- vielversprechend.
Sich beim Anbieter anzumelden- schwerer als erwartet. Sie verbrachte den ganzen Nachmittag damit Anforderungen zu erfüllen. Der facebook-Account schien dem Anbieter nicht aktuell genug. Das dazugehörige Foto lud er sich jedoch gleich auf seine Seite. Der Provider erhob Anspruch auf die Kreditkartennummer und verlangte eine beglaubigte Personalausweiskopie. Als sie auch noch ein 15 Sekunden langes Video, bei dem sie ein Lied singen und auf der Straßenlinie einen Flic-Flac springen, ins Netz stellen sollte (wie die Szene der Polizeikontrolle, in Steve Martins Film:" Der Mann mit den zwei Gehirnen"), stieg sie aus. Ein flaues Gefühl in der Magengrube und „Big brother is watching you“ im Gedächtnis. Existenzängste. Georg Orwells Geschichte 1984 nahm kein gutes Ende und war längst in der Gegenwart angekommen.
Ade, du kleine, heile Welt.
Sie stellte den Kontakt zum Privatvermieter her. Konnte zwar nicht buchen, schrieb ihm aber, sich gerne für das Wochenende einmieten zu wollen. Leider wäre es nicht möglich durch die Security zu kommen.
Kein Problem, es könne auch in bar bezahlt werden, kam salopp zurück.
Ohne den potentiellen Vermieter zu kennen, hatte sie e-mail Kontakt hergestellt.
Sie schrieb leicht, locker, ihre Tochter würde 18 werden und sie als Eltern müssten für das Wochenende das Haus verlassen. Aus Anreden wie „Hi“ und „Huhu“ wurde sogleich „du“. Wenn sie schon nicht durch die offizielle Sicherheitsmaßnahme rutschte, wollte sie die Reservierung verbindlich wirken lassen. Vielleicht fremd dieser Computerwelt gegenüber aber sonst ehrlich-naiv.
Die Buchung inklusive Reinigungskosten kam nun doch teurer, als das von ihr angestrebte Wellnesshotel am See. Wenngleich ihr Mann Einwand der hohen Übernachtungskosten wegen erhob fuhren sie zusammen in eine beiden fremde Stadt und er stellte den gehetzten Motor aus.
Gemeinsam stiegen sie die Treppenstufen zur Eingangstür hinauf und suchten das Namensschild mit zugehöriger Klingel. Er läutete. Jemand öffnete.
Äußere Erscheinung und Namastegeste ließen auf einen Inder schließen. Anfang dreißig. In Jeans und olivgrünem T-Shirt, bat er das erschöpfte Paar einzutreten.
Im Treppenhaus stand ein Rennrad an die Wand gelehnt. Es fiel ihm angenehm auf, er fuhr auch Rad.
Die drei traten über einen kleinen Vorraum in die großzügige Küche. Ein Arbeitsblock in der Mitte. Dahinter ein Tisch besetzt mit einem Mann und zwei Frauen, grade etwas älter als ihre Tochter.
Zwei weitere Stühle wurden herangezogen. Ein weiß, grün gestreiftes Louis Quatorze Sesselchen zum Platznehmen, über den dunkelroten Perserteppich gehoben, für sie.
Zeit, ihren Blick schweifen zu lassen:
Indirektes Licht, rauchgeschwängerte Luft. In einer spindeldürren, meterhohen Yuccapalme steckten Räucherstäbchen. Daneben eine halb in die Wand integrierte graue Säule. Fenster bis zur Altbaudecke, gerahmt von ebenso hohen Heizkörpern, deren Regulatoren für sie nicht zu erreichen wären. Bestenfalls unter höchstmöglicher Streckung, auf einem Stuhl stehend, ging es ihr durch den Kopf.
Dunkler Parkettboden auf dem eine rotorange, fein geknüpfte, mit dunkelblauen Quadraten versehene, persische Brücke lag. Diese führte zum weinrot, wieder ornamental gehaltenen, größeren Teppich. Auf ihm, der antik, barocke Tisch mit seinen, leicht nach außen geschwungenen Beinen.
Die einst mit Schellack überzogenen, abgewetzte Tischplatte bedeckt mit allerlei Gläsern, Orangensaft, Wodka, Tabak und einem vollen Aschenbecher. Stilleben der Jugend.
Die junge Frau ihr gegenüber schüchtern, gerötete Wangen. Einige hellbraune, fast rötliche Locken entkamen dem gewundenen Koten ihrer Haare und umsäumten das ovale Gesicht.
Wie sanft dieses Mädchen schien, zurückhaltend. Rossettis Proserpina.

Der Gastgeber gab dem Mädchen einen väterlichen Kuss auf die Stirn.
Wie irritierend.
Sie wurden gefragt, ob sie gerne rauchen würden? Wohlig drehte sich ihr Mann eine Zigarette. Wie lange hatte er schon nicht mehr in einer Wohnung geraucht!
Ob sie Rotwein aus Italien trinken wollten, als einladende Frage gestellt. Der behände Gastgeber stellte einen zarten Kristallkelch vor sie und schenkte ein. Wie aufmerksam.
So ließ es sich entspannen.
Ihr Mann nahm mit einem einfachen Colaglas, Edition "Riesenfastfoodkette", vorlieb.
Sein Stuhl, instabil bei Bewegung, die Verleimung löste sich, sah bequemer aus, als er war.
Er blickte sich um:
Aus den Bluetoothboxen drang eine experimentelle Mischung aus Oberton und Walgesängen. Es handelte sich wohl um die Musik eines esoterischen youtube channel, wie auf dem Bildschirm des Macbooks zu erkennen war.
Was für ein exzentrischer popart Druck, im Stile Andy Warhols. Ein blonder Frauenkopf, seitlich gesehen in Comicart bunt gedruckt. Aus dem Mund schlängelte sich eine Zunge. Frech, obszön und mitten über der Küche angebracht.
Zu seiner Linken sonnenüberflutete, griechische Landschaftsbilder, in Öl. Große Leinwände mit hübschen Farben. Er mochte das satte, seine Nuancen wechselnde Blau des Himmels, des Wassers, selbst der Fensterläden. Weiße Häuser, ab und zu eine Kuppel. So friedlich.
Es klingelte an der Haustür. Der Gastgeber jonglierte einen Karton Riesenpizza an den Tisch.
Perfekte Konditionierung, er war hungrig und bekam das erste Stück angeboten.
Cool! Dieses bunte Gemisch aus Popart, naiver Malerei und tausend und einer Nacht gefiel ihm. Was für lockere Konventionen.
Sein Leben kam ihm eintönig, fast spießig vor.
Wie er brav von Montag bis Freitag in die Arbeit ging. Abends auf der Couch saß, fern sah.
Seine Frau erzählte gerade über den Grund ihres Wochenendausfluges. Sturmfrei für die Tochter, die ihren 18ten Geburtstag gebührend feiern wollte.
Wie enthusiastisch die jungen Leute sich an der Unterhaltung beteiligten. Feurig berichteten sie von ihren Erfahrungen mit Festen im Haus der Eltern. Wie nah ihnen dieses Alter war.
Wehmütig dachte er an die Leichtigkeit seiner eigenen Jugend.
Der Gastgeber lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Er stellte sich vor: Nilay oder Nili, wie sie wollten; fragte ihn nach seinem Job und beide tauschten kurz ihre beruflichen Tätigkeiten aus.
Dann wandte Nilay sich an sie. Ob sie Erfahrung in esoterischer Richtung hätte, spirituelle Sitzungen, Tarotkarten legen? Obwohl sie lachend verneinte, dazu sei sie zu bodenständig, fühlte sie sich durch seine Aufmerksamkeit geschmeichelt. Er fragte weiter, ob sie sich die Übernachtungsräume ansehen wollten? Die beiden stimmten der kleinen Führung zu.
Im Wohnraum führte eine steile Wendeltreppe in die Souterrainzimmer. Die Matratze vor der Tür diene als Schalldämmung, der Stereoanlage wegen, falls sie oben noch feiern wollten. Heute würden sie einen bekannten Club, deren Besitzer Nilay kenne, besuchen.
Das Ehepaar lehnte die Clubeinladung dankend ab, sie hätten am nächsten Tag ja vor, sich die Stadt anzusehen. Nahmen die Einladung, die Rotweinflasche zu leeren und sich in den oberen Räumen zu entspannen jedoch beschwingt an.
Hektische Unruhe entstand, das Taxi stehe vor der Tür. Nilay verschwand in den hinteren Räumen, tauchte gleich wieder in einem weißen Hemd auf, suchte seine Jacke. Die falsche wurde ihm gereicht. Proserpina tauschte die Jacken, reichte ihm seine Schuhe. Mit einem Ciao, fühlt euch wohl, wurde es still und das Paar saß allein, in der fremden Wohnung am Esstisch.
„Lässig, uns hier so vertrauensvoll sitzen zu lassen,“ startete er die Konversation.
„Wie eingefahren wir doch in unser kleines quadratisches Leben sind. Sie dir diese bunt schillernde Welt hier an.“
„Lebt nicht jeder in seinem Quadrat?", schoss es ihr durch den Kopf. Hingegen erwiderte sie:"Stimmt, komm lass` uns den Garten ansehen.“
Er öffnete die hohe Fenstertür und sie traten auf eine weite, konkav gewölbte Terrasse.
Vor ihnen erschloss sich die Steinbalustrade und eine Treppe führte in den dunklen Garten. Am Treppenansatz, auf dem Handlauf, saßen rechts und links kleine, schlafende Dämonen.
Sie freuten sich wie Kinder, die in eine Märchenwelt eingedrungen waren.
Sie würden in dieser zauberhaften, alten Jugendstilvilla übernachten.

Leblos, die langen dunklen Haare verbargen das, mit dem Kinn auf dem Brustbein liegende Gesicht. Der Schaft eines Dolches ragte aus ihrem Bauch, als würde er den Körper an den stehenden Holzsarg nageln. Sie wusste, es war ihre Mutter. Der Sargdeckel kappte wie eine Tür zu.
Ein Wimmern in ihrem Traum. Das kleine Mädchen kauerte neben einer offenen Treppe. Es hatte keinen Sinn sich zu verstecken. Sie hörte seine zunehmend unkontrolliert, herrische Stimme.
Wieder dieses kindliche Wimmern: “Ich kann nicht, ich kann das nicht.“
Sie wusste, in seinem Wahn verlangte er irgend eine Absurdität.
Sie hatte Angst vor ihm.
Weibliches Wehklagen. War sie das? Sie war das kleine Mädchen, sie wimmerte nicht, sie weinte nicht. Sie war in Habachtstellung. Ein Zittern durchlief den zum Sprung gespannten Körper. Mit diesem, durch den Leib rieselnden Zittern, öffneten Millionen winzig kleiner Augen ihre Lider. Jede Körperpore ein Augenlid. Und jedes dieser kleinen Äuglein konnte hören. Sie konnte durch Mauern hören.Ihre Ohren schutzlos geräuschempfindlich, an der Schmerzgrenze.
Sie wachte auf. Der Nachtmahr raste noch durch ihr Blut.
Die Stimmen?
Die Stimmen waren da! Meine Güte, sie hatte das befehlende Geschrei des Mannes und das Weinen der Frau über ihr, in ihren Traum eingebaut.
Sie orientierte sich, lag im Doppelbett des Souterrainzimmers an der Innenseite. Ihr Mann schlief außen. Schwer über ihn zu springen oder zu krabbeln. Ein Moment aus Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht ließen zähe Sekunden in eine zeitlose Dimension tropfen.
Ihr Gastgeber und seine Freundin in einem, von ihm dominierten, Streitgespräch. Wenn man das heisere Schreien und weinende Klagen noch Gespräch nennen konnte.
Sie weckte ihn. Er wachte auf. Es war ruhig. Er schlief ein. Sie wachte lauschend. Stille!
Aufmerksame Wachsamkeit begleitete ihren Tag.
Teleskoptentakel, Schwanenhälsen gleich, mit um sich blickenden Augäpfeln wuchsen wendig aus ihrem Körper. Kreisten als Satelliten in ihrer Atmosphäre, behielten die Stratosphäre im Auge.
Sie passierten die intakte, massive Burgmauer. Betrachteten die restaurierte Festung von innen. Waffen aus unterschiedlichen Epochen zur Verteidigung ausgestellt. Düsternis. Zu Fuß bergab, eroberten sie den Altstadtkern. Touristengruppen unterschiedlicher Nationalitäten und Größen mischten sich mit den zielorientierten Kunden der Geschäfte, in der Fußgängerzone. Laut, lebendig, ihr Verteidigungssystem in Alarmbereitschaft. Die Welt rauschte auf sie zu, drohte sie zu überrollen. Immer wieder kehrte sie zu dem Ereignis der Nacht zurück. Versuchte ihr Bild zu vervollständigen. Das junge Mädchen, das den Abend über scheu Fragen beantwortete. Ihre bescheiden wirkende Art auf einmal devote gefärbt. Er, in seiner Überaufmerksamkeit, nicht zuhören könnend, hektisch, getrieben. Wie sie ihm diese Jacke reichte! Wer spielte welche Rolle? Was bedeutete die aufgestellte Matratze vor der Kellertür? Vielleicht die provisorische Dämmung einer Folterkammer? Für wen, sie unten oder die oben?
Hypothesen aus wilden Fantasien und Erinnerungsstücken durchwirkten das entstehende und immer wieder auseinanderfallende Bild. Sie puzzelte.
Ihr Mann sah sie an. Sein Blick perlte, wie ein Wassertropfen, auf einer im Teich schwimmenden Lotospflanze, ab. Er wollte ihre Abwesenheit nicht länger ertragen. Mitten im Menschenstrom blieb er stehen und stellte seine durchdringende Frage, die es schaffte sie aus ihrer Trance zu reißen:
„Wo bist du, was ist los mit dir?“
Jetzt sah sie ihn an, brauchte Zeit. Sie gingen eine Weile weiter, durch abgeschiedene Straßen und Gassen, um die flüchtige Essenz in ihrem Gehirn zu filtern:
„Du musst mir glauben, du musst dich hinter mich stellen. Ich habe einen häuslichen Übergriff miterlebt und wir müssen das klären. Für mich hat sich heute Nacht schon einiges geklärt. Meine Vergangenheit hat sich in die Gegenwart gemischt. Gefährlich! Ich habe eine mir bekannte, zugewiesene Rolle heute Nacht nicht erfüllt. Normalerweise habe oder sollte ich jetzt sagen hatte ich, in solch brissanten Situationen, die Gabe mich in das unsterbliche Supergirl zu verwandeln. Retterin der Unterdrückten. Mein Supergirlanzug ist zu eng geworden, ich bin zu groß. Meine Heldin in der Not ist nun doch gestorben und hat mich mit meiner kindlichen Furcht und Ohnmacht allein gelassen."
Er glaubte ihr.
So trat Bewusstsein in ihre Erfahrung und eine klärende Erkenntnis blieb.

Sie war angekommen.

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Freitag, 26. September 2014
Schaugd scho guad aus
Ich liebe es, dieses Herumbaierln. Am Liebsten mit meinem Mann, dann klingts bsondas schiach und mir ham an Mordsspaß dabei.
Im Chiemgau, also Oberbayern, trau` ich mich natürlich nicht Mundart zu sprechen. Stolpere ich sogleich über einfache Worte, wie: Nase. Soll ich da Nosn oder Na(leicht nasales "a")sn sagen ? Der Ureinwohner würde sich vielleicht nicht ernst genommen fühlen und mir eine auf d' Nosn gebn.
Da lasse ich es lieber sein und falle in ein klares, unabsichtlich leicht hochnäsig klingendes Hochdeutsch.
Was soll ich tun? Immer wieder Zerissenheit. Als Kind in einem kleinen bayrischen Weiler namens „Hetzenbichl“(Hätznbichi) aufgewachsen, des hetzenbichlerischen Bairischs mächtig, zumindest versteh` ich’s. Sprechen tolerierte die preußische Großmutter väterlicherseits nicht. Bei Worten wie "Wurscht" oder "Durscht" bekam ich ihren Ellbogen in den Rippen zu spüren. Einen Knuff. Schnell wurde aus "Wurscht" Wurst, das geliebte „Gutti“ zum Bonbon und Weißkäse gab es in Hätznbichi nicht.
So unter uns, mit meinem Mann bayerl ich gern rum.
Ach, jetzt bin ich vom Thema abgekommen. Dieses schöne, halbe Hähnchen, extra für Sie aufgenommen, wollte ich Ihnen zeigen.
Da ham ma uns dann scho a bissal gschtrittn.
Mei' Mo hot g'moant, des mit der Bioabsolution auf da Wies'n kö' ma uns spar'n.
Und hams`S den Skandal vom letzten Jahr mitbekommen? Bio! Für so vui Hendl, hatts ned g`reicht.




Seit der letzten Wies`n bin ich Vegetarierin, ob aus moralischen oder finanziellen Gründen lassen wir mal dahingestellt sein.
Pfiat di, du salzig, rösches halbes Hendl, du kloans Gigerl. I' werd' di' nur no' o'schaugn.
Gibt's hoid an Schmarrn.
Bussi und vui Spaß auf 'm Oktoberfest.

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Samstag, 28. Juni 2014
I got it <3
Yabba dabba doo! Nie wieder Schule für Pebbels.
„Fred, laß` uns den Cactus Cooler köpfen, feiern, tanze, endlich unsere Hochzeitsreise antreten…“
„Mama? Erde an Wilma, Erde an Wilma, ich brauch` ein Abi-Kleid!“
Seufz:“ Laß` uns Steine für unser Kind ausgeben.“
Ab in die Neuzeit.
„Guck, wir haben eine Abi-Kleid-Gruppe über Whatsapp gegründet.“
Ich begutachte den Kleidertrend. Lang-e.
"Pebbles, möchtest du ein langes Abi-Kleid?"
Ja, Pebbles möchte ein langes Kleid. Eines aus Chiffon, im antik-römischen Stil, wie alle anderen Mädchen auch.
Also, ab durch die Kaufhäuser und Boutiquen. Cocktail- und Abendkleidabteilungen, der Stadt, rauf und runter. Rein in das Getümmel, bis die Schuhe blutig gelaufen sind und die Zunge hechelnd, knapp über dem Boden hängt.
Während Töchterchen sich mit all den anderen Backfischen in Wallerkleidung wirft, kann ich in bequemen Sesseln oder schlimmstenfalls stehend pausieren.
Genug Zeit, Konsumentinnen zu studieren. Mütter mit ihren Töchtern, auf Suche nach passender Robe. Mütter deren zurückhaltende Ratschlägen meist abgelehnt werden. Wir, aus der Steinzeit kommenden, kennen den Trend nicht. Meine Lieblingsfrage von Pebbles, aus ihrer Kindergartenzeit amüsiert mich heute noch: "Sag´ mal Mama, wie war es, als du mit den Dinosauriern gelebt hast?"
Mit stoischer Gelassenheit zaubert sich ein mildes Lächeln auf meinen Gesichtsausdruck.
Liebes Kind, wieso fallen mir Worte wie, Cupcake, Törtchen oder Torte bei deinem Anblick ein? Macarons, fluffige Himmbertörtchen, kleine, runde Schokokuchen mit Sahnetupfer...
Vielleicht macht mich dieser überdimensionale Einkaufsbummel einfach nur hungrig.
Wie gerne würde ich bei einem Zuckerbäcker einkehren, aber hier geht es nicht um meine Bedürfnisse. Wir haben immer noch kein Kleid. Die Zeit drängt, irgendwann werden die Geschäfte schließen und ich weiß auch nicht mehr, wo wir noch hingehen sollen. Es ist doch schon alles abgeklappert.
Unser Rundlauf beginnt von vorne. Wir springen in das erste Kaufhaus unserer Tortur. Entschuldigung ein „Freudscher " Versprecher, ich meine natürlich Tour.
Da gibt es ein blaues, langes Chiffonkleid aus Polyester, das in der Whatsappgruppe dem von Marie zwar ähnlich sieht, aber Maries ist rot. Ich räume alle Zweifel aus. Rot ist doch nicht blau, wo ist denn da die Ähnlichkeit.
"Mein Honigkuchen, wenn es dir gefällt, laß` es uns kaufen."
Pebblechen wirft sich noch mal in ihren nachtblauen Traum und stellt ihn in die Kleidergruppe der Abiturientinnen.
Wir gehen zur Kasse. Nonchalant ziehe ich meine EC-Karte und drücke dem Kind eine kleine, goldene Papiertüte mit dicken, cremefarbenen Kordelgriffen in die Hand.
Endlich, geschafft, es wurde ja auch Zeit.
Wie schön, selbst in dieser wuseligen Einkaufsstraße kann ich Mutter-Töchter-Gespanne mit ihrem Auftrag erkennen. Der Blick ist wieder frei, der Blick ist wieder offen. Wir gehören zu denen mit einem Einkaufstütchen. Freude.
Pebbles guckt auf ihr Smartphone, tut sie ja öfter, aber sie liest mir die SMS sonst nicht vor.
Ich bin erschüttert.
„Dein Kleid sieht dem von Laura recht ähnlich.“
"Ähh, hallo wir leben alle in einer Stadt, ist es da so schlimm, wenn das gleiche Kleid öfter vertreten ist?"
Ja, es ist schlimm, kompromittierend! Das geht natürlich nicht, wir müssen das Kleid zurückbringen.
Am Boden zerstört schlurfen wir, mit brennenden Fußsohlen abermals zur bekannten Kasse.
Bedrückt lege ich das neue, goldene Tütchen auf den Tresen.
Was nun?
Ein kleiner Hoffnungsschimmer, am Rande der Stadt, in Form eines kleinen Lädchens, vielleicht, vielleicht...?
Wie spät ist es? Wir müssen uns beeilen, die Füße in die Hand nehmen, von Bahnverbindung zu Bahnverbindung jumpen. Es könnte klappen, wir rennen die Zielstraße hinunter. Erster, ich erreiche die Eingangstür, möchte sie aufdrücken...zu spät, doch dann ist es zu spät, zu späät.. ist in meinem Gehirn fest mit den Ärzten verknüpft, ob es mir passt oder nicht. (http://www.youtube.com/watch?v=YkHP0661TiA )
Nebenan löst sich eine dunkelhaarige Dame aus ihrem Liegestuhl:
„Suchen Sie etwas bestimmtes? Ich kann Ihnen das Geschäft öffnen.“
Ja; ich suche etwas bestimmtes und ich kann Ihnen die Füße küssen, ich werfe mich auch in den Straßenstaub, aber bitte, helfen Sie mir. Was für ein hilfesuchender, verzweifelter Blick , der aus mir heraus quillt. Wie beim Zahnarzt.
Ich kenne diese kleine Italienerin, die Besitzerin.
Sie öffnet ihren Laden und wir dürfen stöbern.
Mit geübten Fragen erfährt sie unser Anliegen und zieht ein großes, schwarzes Chiffonkleid aus ihrem dichtgesteckten Sortiment.
Schwarz, zu Pebbles heller Porzellanhaut ein eleganter Kontrast.
Das Kind verschwindet in der Umkleide. Beim heraustreten stolpert sie über den zu langen Saum, aber man muss auch die Schuhe bedenken und es kann gekürzt werden, vielleicht sogar mit Schleppe. Die Taille rutscht dem Kind auf den Hintern. Kann man enger stecken. Die Brust verliert sich in zwei wassermelonengroßen, schwarzen Helmen. Kann aber mit Bändchen aus dem Saum über dem Rücken zusammengebunden werden. Der Neckholder wird um ca. dreißig Zentimeter gestrafft und schon ist das Kleid für den Abiturball fertig.
Die quirlige Italienerin hat um die Ecke die Schwägerin zur Schneiderin.
Ich muss dringend auf die Toilette, wir nehmen das Kleid.
Zur Schneiderin geht die große Tochter morgen allein, denn da bin ich mit dem Rest der Familie und Freunden zum Rumgammeln auf einen Campingplatz in Kroatien.
Diesen Urlaub habe ich mir redlich verdient.
Am nächsten Abend, in geselliger Runde mit Wein und Blick aufs Meer kommen wir auf das Thema Abikleid und -ball. Meine Füße brennen immer noch. Auch die Freundin hat ein paar Anekdoten zu erzählen. Wir begutachten Fotos ihre Tochter, über Handy, in diversen, mir bekannt vorkommenden Kleidungsstücken und geben unsere Empfehlung ab.
Nach Erinnerung suchend überlegen wir, wie das damals bei uns war. Bei mir gab es anstatt eines Abiturballs die Weizäcker-Rede( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/weizsaecker-rede-1985-8-mai-war-ein-tag-der-befreiung-a-354568.html ). Zur Zeugnisübergabe hatte ich die schwarze Lieblingshose gegen eine blaue Jeans eingetauscht. Abends gingen wir in eine Kneipe Namens „Schabernack“ und standen zur Verabschiedung wohl zu lange vor der Tür, denn eine Hausbewohnerin goss einen Kübel Wasser über unsere Köpfe. Gut, dass es den Klamotten nichts ausmachte. Aber, wie meinte meine Mutter: “Ihr wart ja alternativ!“ Interessant ich erlebe einen hautnahen Generationswechsel.
Wir sollten unsere Demonstrationslust ein letztes Mal entfachen und auf dem Gelände vor dem Abiball Plakate schwingen. Auf meinem würde stehen:"Mütter stoppt den Rüstungswahn!"
Wäre in mehrerlei Hinsicht treffend, denn das Fest wird tatsächlich in der Großkantine eines Rüstungskonzerns stattfinden. Aber das ist eine andere Geschichte:( http://www.fnp.de/rhein-main/Krauss-Maffei-bekommt-im-Schmiergeld-Prozess-mehr-Zeit;art )

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