Freitag, 16. Januar 2015
Schneekönigin
Blitzschnell überzog eine Eisschicht den Körper der erstarrenden Königin. Sie hielt den wütenden Bären in ihrem Innenraum. Sein Durchbrechen hatte eine vernichtende Wirkung auf ihre Außenwelt. Er hatte die Kraft, ihr das Liebste zu zerstören. Kein menschliches Wesen war diesem Ungeheuer gewachsen.
So sehr sich die Schale ihres Körpers verhärtete, sie war nicht hart, nicht fest, nicht eisig genug.
Dieses Mal konnte sie seine übermäßige Kraft nicht in Zaum halten. Der eiserne Ring, um seinen Hals, gehalten von der massiven Gliederkette schnürte dem furchterregenden Ungetüm die Luft ab. Wütend, um sich schlagend, warf der Riese sich mit aller Wucht gegen sein Gefängnis. Das Eis splitterte. Brach durch das Gewicht des um sich tobenden Bären in unzählige Kristallstücke. Der Scherbenberg fiel lautlos bis über das Brustfell zusammen. Wuchtig sausten seine Pranken durch die Luft, unfähig den Unterkörper zu bewegen. Ein Schnitt seiner messerscharfen Krallen verletzte den linken Unterarm der ältesten Prinzessin, die auf dem Platz der Königin saß.
In der still stehenden Zeit schlugen dunkelrote Bluttropfen auf den Boden.
Die Königin raffte die Kette und zog das erschöpfte Scheusal in ihren Innenraum.
Leibärzte versorgten die Wunde der großen Tochter.
In der nächsten Nacht suchte die gebrochene Königin den alten Gott ihrer Ahnen auf.
Es galt ein Abkommen zu treffen, das Monster zu bändigen.
Jeden Abend, beim Zubettgehen, würde sie in Gedanken ihre Unterarme geöffnet auflegen und den goldenen Lichtstrahl fließender Lebensenergie dem Gott der Ahnen opfern. Damit nahm sie dem wütenden Tier seine Kraft.
Seit dieser Zeit liegt der dunkle Schatten auf ihrer Seele – Das ihr Liebste wird nicht mehr verletzt.

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