Samstag, 28. Juni 2014
I got it <3
Yabba dabba doo! Nie wieder Schule für Pebbels.
„Fred, laß` uns den Cactus Cooler köpfen, feiern, tanze, endlich unsere Hochzeitsreise antreten…“
„Mama? Erde an Wilma, Erde an Wilma, ich brauch` ein Abi-Kleid!“
Seufz:“ Laß` uns Steine für unser Kind ausgeben.“
Ab in die Neuzeit.
„Guck, wir haben eine Abi-Kleid-Gruppe über Whatsapp gegründet.“
Ich begutachte den Kleidertrend. Lang-e.
"Pebbles, möchtest du ein langes Abi-Kleid?"
Ja, Pebbles möchte ein langes Kleid. Eines aus Chiffon, im antik-römischen Stil, wie alle anderen Mädchen auch.
Also, ab durch die Kaufhäuser und Boutiquen. Cocktail- und Abendkleidabteilungen, der Stadt, rauf und runter. Rein in das Getümmel, bis die Schuhe blutig gelaufen sind und die Zunge hechelnd, knapp über dem Boden hängt.
Während Töchterchen sich mit all den anderen Backfischen in Wallerkleidung wirft, kann ich in bequemen Sesseln oder schlimmstenfalls stehend pausieren.
Genug Zeit, Konsumentinnen zu studieren. Mütter mit ihren Töchtern, auf Suche nach passender Robe. Mütter deren zurückhaltende Ratschlägen meist abgelehnt werden. Wir, aus der Steinzeit kommenden, kennen den Trend nicht. Meine Lieblingsfrage von Pebbles, aus ihrer Kindergartenzeit amüsiert mich heute noch: "Sag´ mal Mama, wie war es, als du mit den Dinosauriern gelebt hast?"
Mit stoischer Gelassenheit zaubert sich ein mildes Lächeln auf meinen Gesichtsausdruck.
Liebes Kind, wieso fallen mir Worte wie, Cupcake, Törtchen oder Torte bei deinem Anblick ein? Macarons, fluffige Himmbertörtchen, kleine, runde Schokokuchen mit Sahnetupfer...
Vielleicht macht mich dieser überdimensionale Einkaufsbummel einfach nur hungrig.
Wie gerne würde ich bei einem Zuckerbäcker einkehren, aber hier geht es nicht um meine Bedürfnisse. Wir haben immer noch kein Kleid. Die Zeit drängt, irgendwann werden die Geschäfte schließen und ich weiß auch nicht mehr, wo wir noch hingehen sollen. Es ist doch schon alles abgeklappert.
Unser Rundlauf beginnt von vorne. Wir springen in das erste Kaufhaus unserer Tortur. Entschuldigung ein „Freudscher " Versprecher, ich meine natürlich Tour.
Da gibt es ein blaues, langes Chiffonkleid aus Polyester, das in der Whatsappgruppe dem von Marie zwar ähnlich sieht, aber Maries ist rot. Ich räume alle Zweifel aus. Rot ist doch nicht blau, wo ist denn da die Ähnlichkeit.
"Mein Honigkuchen, wenn es dir gefällt, laß` es uns kaufen."
Pebblechen wirft sich noch mal in ihren nachtblauen Traum und stellt ihn in die Kleidergruppe der Abiturientinnen.
Wir gehen zur Kasse. Nonchalant ziehe ich meine EC-Karte und drücke dem Kind eine kleine, goldene Papiertüte mit dicken, cremefarbenen Kordelgriffen in die Hand.
Endlich, geschafft, es wurde ja auch Zeit.
Wie schön, selbst in dieser wuseligen Einkaufsstraße kann ich Mutter-Töchter-Gespanne mit ihrem Auftrag erkennen. Der Blick ist wieder frei, der Blick ist wieder offen. Wir gehören zu denen mit einem Einkaufstütchen. Freude.
Pebbles guckt auf ihr Smartphone, tut sie ja öfter, aber sie liest mir die SMS sonst nicht vor.
Ich bin erschüttert.
„Dein Kleid sieht dem von Laura recht ähnlich.“
"Ähh, hallo wir leben alle in einer Stadt, ist es da so schlimm, wenn das gleiche Kleid öfter vertreten ist?"
Ja, es ist schlimm, kompromittierend! Das geht natürlich nicht, wir müssen das Kleid zurückbringen.
Am Boden zerstört schlurfen wir, mit brennenden Fußsohlen abermals zur bekannten Kasse.
Bedrückt lege ich das neue, goldene Tütchen auf den Tresen.
Was nun?
Ein kleiner Hoffnungsschimmer, am Rande der Stadt, in Form eines kleinen Lädchens, vielleicht, vielleicht...?
Wie spät ist es? Wir müssen uns beeilen, die Füße in die Hand nehmen, von Bahnverbindung zu Bahnverbindung jumpen. Es könnte klappen, wir rennen die Zielstraße hinunter. Erster, ich erreiche die Eingangstür, möchte sie aufdrücken...zu spät, doch dann ist es zu spät, zu späät.. ist in meinem Gehirn fest mit den Ärzten verknüpft, ob es mir passt oder nicht. (http://www.youtube.com/watch?v=YkHP0661TiA )
Nebenan löst sich eine dunkelhaarige Dame aus ihrem Liegestuhl:
„Suchen Sie etwas bestimmtes? Ich kann Ihnen das Geschäft öffnen.“
Ja; ich suche etwas bestimmtes und ich kann Ihnen die Füße küssen, ich werfe mich auch in den Straßenstaub, aber bitte, helfen Sie mir. Was für ein hilfesuchender, verzweifelter Blick , der aus mir heraus quillt. Wie beim Zahnarzt.
Ich kenne diese kleine Italienerin, die Besitzerin.
Sie öffnet ihren Laden und wir dürfen stöbern.
Mit geübten Fragen erfährt sie unser Anliegen und zieht ein großes, schwarzes Chiffonkleid aus ihrem dichtgesteckten Sortiment.
Schwarz, zu Pebbles heller Porzellanhaut ein eleganter Kontrast.
Das Kind verschwindet in der Umkleide. Beim heraustreten stolpert sie über den zu langen Saum, aber man muss auch die Schuhe bedenken und es kann gekürzt werden, vielleicht sogar mit Schleppe. Die Taille rutscht dem Kind auf den Hintern. Kann man enger stecken. Die Brust verliert sich in zwei wassermelonengroßen, schwarzen Helmen. Kann aber mit Bändchen aus dem Saum über dem Rücken zusammengebunden werden. Der Neckholder wird um ca. dreißig Zentimeter gestrafft und schon ist das Kleid für den Abiturball fertig.
Die quirlige Italienerin hat um die Ecke die Schwägerin zur Schneiderin.
Ich muss dringend auf die Toilette, wir nehmen das Kleid.
Zur Schneiderin geht die große Tochter morgen allein, denn da bin ich mit dem Rest der Familie und Freunden zum Rumgammeln auf einen Campingplatz in Kroatien.
Diesen Urlaub habe ich mir redlich verdient.
Am nächsten Abend, in geselliger Runde mit Wein und Blick aufs Meer kommen wir auf das Thema Abikleid und -ball. Meine Füße brennen immer noch. Auch die Freundin hat ein paar Anekdoten zu erzählen. Wir begutachten Fotos ihre Tochter, über Handy, in diversen, mir bekannt vorkommenden Kleidungsstücken und geben unsere Empfehlung ab.
Nach Erinnerung suchend überlegen wir, wie das damals bei uns war. Bei mir gab es anstatt eines Abiturballs die Weizäcker-Rede( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/weizsaecker-rede-1985-8-mai-war-ein-tag-der-befreiung-a-354568.html ). Zur Zeugnisübergabe hatte ich die schwarze Lieblingshose gegen eine blaue Jeans eingetauscht. Abends gingen wir in eine Kneipe Namens „Schabernack“ und standen zur Verabschiedung wohl zu lange vor der Tür, denn eine Hausbewohnerin goss einen Kübel Wasser über unsere Köpfe. Gut, dass es den Klamotten nichts ausmachte. Aber, wie meinte meine Mutter: “Ihr wart ja alternativ!“ Interessant ich erlebe einen hautnahen Generationswechsel.
Wir sollten unsere Demonstrationslust ein letztes Mal entfachen und auf dem Gelände vor dem Abiball Plakate schwingen. Auf meinem würde stehen:"Mütter stoppt den Rüstungswahn!"
Wäre in mehrerlei Hinsicht treffend, denn das Fest wird tatsächlich in der Großkantine eines Rüstungskonzerns stattfinden. Aber das ist eine andere Geschichte:( http://www.fnp.de/rhein-main/Krauss-Maffei-bekommt-im-Schmiergeld-Prozess-mehr-Zeit;art )

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