Donnerstag, 6. August 2015
Der letzte Sommer
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen
Die sich über die Dinge ziehn
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen
Aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang
Rilke




https://www.youtube.com/watch?v=lJ5DiAVeiBg

Und ich wanderte zu dir in deinen Garten. Du lagst im Schatten unter der Quitte.
Das kühle türkisblaue Tuch bedeckte dein flatterndes Herz.
Wir betrachteten die geschlossenen Knospen der Rose,
wissend um die in sich tragende Kostbarkeit.
Die Luft umhüllte uns mit ihrer sommerlichen Fülle.
Wir in diesem Tag, scheinend in seinem Glanz.
Der Augenblick wurde langsam und vergrößerte seinen Raum.
Und ich wusste, jetzt brach deine Zeit an. Nur für dich.

Du warst nicht mehr im Garten.
Dir fehlte die Kraft.
Und du fragtest mich:
„War er richtig dieser Weg? Bin ich den rechten Weg gegangen?“
Ich konnte dir Antworten:
„ Du gehst deinen Weg, wie könnte er abwegig sein?"
Und du nicktest:
„Die Verbundenheit mit der Natur, sie war mir immer wichtig.
Mit dem Universum werde ich mich verbinden.“

Du gabst mir Gelegenheit, dir zu sagen, was mir auf dem Herzen lag:
„Du bist mir meine große Schwester.
Du ebnest mir meinen Weg, so wie es Geschwister tun.
Du meine Wegbereiterin.“
Und du antwortest mir:
„ Ja, ich weiß. Ich bin neugierig auf diesen Weg.“

Der Hüter der Schwelle saß an deiner Tür und winkte mich durch.
Ich durfte bei dir sein.
Ich rieb dir die Füße ein.
Du weintest:
„Wie sehr habe ich mir gewünscht, dich in meiner schweren Zeit bei mir zu haben.“
Ich weinte.
Das Wasser unserer Seelen vermischte sich.

Der Hüter der Schwelle saß an deiner Tür und winkte mich durch.
Ich durfte bei dir sein und mein Versprechen einlösen:
"Wie du dich auch entscheidest, welchen Weg du auch gehst,
ich begleite dich."

der letzte Kuss
auf die Stirn
zwischen deine Augen
du lächelst
so leicht

"Die Nebel lüften sich.
Ein Engel erscheint

Sein Blick so klar.
Die Flügel weit.

Was will er mir sagen?
Kein Wort
Nur ein Blick

Tief in mein Herz hinein
Und leise ganz leise
sagt es ja"
G.G.

Bis über den Tod hinaus
ich liebe dich – ich vermisse dich

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Freitag, 24. Juli 2015
Burnout
Die Hose war weit geworden. Fühlte sich ausgeleiert an. Äußerlich wie beim ersten Burnout, beim seelischen Burnout. Jedoch hatte dieses eine andere Auswirkung. Dieses Burnout sollte mich demütigen, wollte meinen Stolz brechen. Nahm meinen äußeren Rahmen. Ließ die Seele weder aus dem Körper treten, noch zart auf Wolken schweben. Um was ging es hier? Hier tobten, schäumende Wellen des Ärgers und eine Sturmflut der Wut erhob sich gegen Gott und die Welt. Hier wurde mir gezeigt, wie menschlich, wie unvollkommen ich war. All die mühsam erkletterten Karmastufen senkten sich ins Bodenlose.
Wir hatten vor, den Geburtstag meines Mannes am Abend groß zu feiern. Schon vor Monaten wurde ein Raum für an die hundert Gäste gemietet. Es sollte ein Fest für Verwandte, Freunde und Musiker werden. Mein Mann würde mit seiner Rockband auftreten. Mit angekündigter Session und Freibier, für auf der Bühne anwesende Musiker. Auch ich hatte vor, mich ins Rampenlicht zu stellen. Angefangen mit einem happy birthday to you ins Mikrophon hauchend, wie Marylin Monroe on stage für John F. Kennedy. Dann abbrechen mit der Erklärung, leider nicht so gut singen zu können und alle Freunde, denen es genauso ging, zur musikalischen Unterstützung auf die Bühne bitten. Happy birthday to you und Freibier für alle.

Beim Friseur, unterstützt durch die Zeitschrift aus der Glamourwelt gab ich mich meiner Vorstellung hin: Die blondierten Haare, zu einer mondän gestylten „Banane“ gedreht, wie Hitchcock es bei seinen Blondinen liebte. Im Kontrast graues T-Shirt, graue Röhrenjeans und Turnschuhe. Passend zur Frisur die Unterwäsche – sexy. Haha, da wusste ich noch nicht, dass dies meine einzige eigene Kleidung für die nächsten Monate sein sollte.
Es gab noch einiges zu organisieren: Das vorbestellte Essen abholen, den Raum vorbereiten, ein Rezept für den Couscoussalat suchen, diesen zubereiten.
Schnell nach Hause und loslegen.
Wieso standen die Nachbarn vor dem Gartentor?
Ich hatte jetzt keine Zeit, geschweige denn Muse für einen Ratsch.
Aber die wollten gar nicht ratschen. Sie fingen mich ab und führten mich, mit betroffenen Mienen in eine gegenüberliegende Wohnung. Eine tröstende Hand legte sich sanft auf meine Schulter. Was hatte das zu bedeuten? Im ersten Augenblick vermutete ich den Tod eines Angehörigen oder Bekannten. So setzte ich mich.
Der Bericht des Geschehenen drang zu mir durch, klang aber dermaßen unglaublich, unfassbar, also so schlimm konnte es nicht sein. Wie, unbewohnbar? Da wurde maßlos übertrieben.
In Begleitung der Nachbarn bekam ich eine Führung durch meine eigene Wohnung. Was für ein stechender, ungesunder, kaum erträglicher Geruch. Den Atem lieber flach halten. Von allen Raumecken her spannen sich schwarze Spinnwebennetze- auch wir putzten doch hin und wieder. Hatte ich etwa zu wenig Wert darauf gelegt, das Haus sauber zu halten? Der vor zwei Stunden gekaufte Salat schmierig, schwarz verfärbt, den konnte man nicht mehr essen. Er sah vor kurzem noch so frisch und knackig aus- ob er zum Abwaschen ging? Wahrscheinlich nicht. Die gesamte Wohnung glich dem Ambiente einer perfekt dekorierten Halloween-Party. Oder Pompeji, die Mandeln in der Schale erinnerten daran, dass die kurz zuvor noch jemand gegessen hatte.
"Burning down the house", vielleicht hätte die Band das am Abend spielen sollen. Oder "Smoke on the kitchen".
How the hell can I get that kitchen smell out of my clothes.
Ich landete im falschen Film. Protagonistin, Statistin, Cutterin und leider auch Produzentin in einem.
Der damit begann, das Fest am Abend wie geplant zu feiern(wo sollten wir auch hin?).
Im Drogeriemarkt, neben dem türkischen Stand für das Abendessen, kaufte ich mit einer Freundin erst einmal ein paar Zahnbürsten. Die alten waren verschmutzt, vermutlich sogar giftig. Da die Freundin keine Haarbürste dabei hatte, nahm ich gleich noch eine dazu, wir würden für die Zukunft eh neue brauchen.
An der Kasse ließen wir noch einmal Revue passieren, wie schrecklich alles aussah. Ich bemerkte den auf mir liegenden Blick der Kassiererin, die mich tatsächlich ansprach und meinte:" Also ich finde Ihre Haare sehen sehr hübsch aus.“
Da leistete sich der Regisseur in meinem Kopf einen kleinen slapstick:
„Entwurzelter Baum im Garten, Tornadowindstärke F4. Das Haar sitzt. Drei Wetter Taft!
Überschwemmung im Keller. Die Frisur hält. Drei Wetter Taft!
Die Wohnung, ausgebrannt, das Haar bleibt geschützt. Selbst Stunden später sitzt die Frisur noch immer perfekt!“

Lächelnd, fast lachend bedankte ich mich bei der Kassiererin.
"Schönes Haar sei dir gegeben, lass es leben mit Gard" -jetzt aber ruhe, du Virtuose der fantastischen Bilder in meinem Kopf und nimm deinen Chor bitte mit!
Was für ein skurril, mit Rückblenden, durchbrochener Geburtstag ( ich möchte anmerken, mit nur einem Gin Tonic meinerseits).
"Happy Birthday to you, my darling"
Am nächsten Morgen weckte mich mein Mann liebevoll mit den Worten:
“Das war kein Traum.“

Bericht von coracora:
"In dem 1993 erschienenem Buch “Kapitäne des Kapitals“ wird Robert Bosch folgendermaßen zitiert:
„Es war mir immer ein unerträglicher Gedanke, es könne jemand bei der Überprüfung eines meiner Erzeugnisse nachweisen, dass ich irgendwie Minderwertiges leiste. Deshalb habe ich stets versucht, nur Arbeit hinauszugeben, die jeder sachlichen Prüfung standhielte, also sozusagen vom Besten das Beste war.
Das Robert Bosch diesem Anspruch gerecht wurde, zeigt, dass auch über hundert Jahre nach Gründung der Firma Bosch der Name heute noch ein Begriff für qualitativ hochwertige Produkte ist. Trotzdem kam es im vergangenen Jahr zu einer großen Rückrufaktion einiger Geschirrspülmodelle. Trotz der bundesweiten Anzeigen in der Tagespresse konnten nicht alle Kunden erreicht werden. Zu diesen Kunden gehörten auch unsere Freunde. Sie schalteten ihren Geschirrspüler Bosch 5600048213(8206-1) ein und verließen für zwei Stunden das Haus.
Bei ihrer Rückkehr fanden sie eine Wohnung vor, die völlig unbewohnbar war, da sich der Geschirrspüler entzünde, ein riesiges Loch in die Arbeitsplatte der Küche schmolz und die gesamte Wohnung mit einer Schicht geschmolzenem Plastik überzogen hatte.
Glücklicherweise kam niemand zu Schaden, da sich die Familienmitglieder und die Katze, zu diesem Zeitpunkt außer Haus aufhielten. Aber das gesamte Inventar: Möbel, Kleider, Bücher, Kuscheltiere, Erinnerungsstücke wie Fotoalben u.s.w. sind völlig unbrauchbar geworden. Der beißende Gestank des vor sich hin schwelenden Plastiks zog durch die ganze Wohnung und machte selbst vor verschlossenen Kleiderschranktüren nicht halt.
Im Freundeskreis wird seit Wochen gewaschen, gelüftet und geschrubbt, um vielleicht einen Teil der Dinge retten zu können, denn nicht alles lässt sich so leicht ersetzen. Dies wird besonders deutlich, wenn man mit einem Wäschekorb voller Alben mit Familienfotos vor dem Altpapiercontainer oder dem Hochzeitskleid vor der Mülltonne steht. Stündlich entdeckt man Neues, von dem man sich trennen muss und das jetzt unwiederbringlich verloren ist."


Oh nein, du Schicksal, du kannst mich nicht brechen.
Nicht durch materiellen Verlust. Dann trete ich eben Jahre der Erinnerung in die Tonne.
Dann werfe ich halt weg und weg und weg…
Adieu: Huysmans , Oskar Wilde, Roald Dahl, Walter Mörs und ihr vielen, vielen Anderen.
Adieu ihr Berge von Kleidern und Klamotten.
Adieu du Tagebuch…
Nein, nicht die Geburtstagskarte meiner Freundin…
Oh mein Gott…
Natürlich kannst du mich brechen. Nimm mir nicht mir liebgewordene Menschen.
Ich beuge mich demütig…und bitte um Gnade.

Ja, du Schicksal, lehrst mich, mit dir zu hadern, mit all deinem Gut und Böse.

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Freitag, 16. Januar 2015
Schneekönigin
Blitzschnell überzog eine Eisschicht den Körper der erstarrenden Königin. Sie hielt den wütenden Bären in ihrem Innenraum. Sein Durchbrechen hatte eine vernichtende Wirkung auf ihre Außenwelt. Er hatte die Kraft, ihr das Liebste zu zerstören. Kein menschliches Wesen war diesem Ungeheuer gewachsen.
So sehr sich die Schale ihres Körpers verhärtete, sie war nicht hart, nicht fest, nicht eisig genug.
Dieses Mal konnte sie seine übermäßige Kraft nicht in Zaum halten. Der eiserne Ring, um seinen Hals, gehalten von der massiven Gliederkette schnürte dem furchterregenden Ungetüm die Luft ab. Wütend, um sich schlagend, warf der Riese sich mit aller Wucht gegen sein Gefängnis. Das Eis splitterte. Brach durch das Gewicht des um sich tobenden Bären in unzählige Kristallstücke. Der Scherbenberg fiel lautlos bis über das Brustfell zusammen. Wuchtig sausten seine Pranken durch die Luft, unfähig den Unterkörper zu bewegen. Ein Schnitt seiner messerscharfen Krallen verletzte den linken Unterarm der ältesten Prinzessin, die auf dem Platz der Königin saß.
In der still stehenden Zeit schlugen dunkelrote Bluttropfen auf den Boden.
Die Königin raffte die Kette und zog das erschöpfte Scheusal in ihren Innenraum.
Leibärzte versorgten die Wunde der großen Tochter.
In der nächsten Nacht suchte die gebrochene Königin den alten Gott ihrer Ahnen auf.
Es galt ein Abkommen zu treffen, das Monster zu bändigen.
Jeden Abend, beim Zubettgehen, würde sie in Gedanken ihre Unterarme geöffnet auflegen und den goldenen Lichtstrahl fließender Lebensenergie dem Gott der Ahnen opfern. Damit nahm sie dem wütenden Tier seine Kraft.
Seit dieser Zeit liegt der dunkle Schatten auf ihrer Seele – Das ihr Liebste wird nicht mehr verletzt.

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